Sammler im Burgenlandkreis Sammler im Burgenlandkreis: Immer mehr Technik-Fans entdecken die Traktor-Oldtimer

Bei Jürgen Lehnert ist es wie mit allen Sammlern: Er ist immer auf der Jagd. Kaum erwähnt der Fotograf beim Termin, dass es auch in seiner Familie noch einen Oldtimer-Traktor gebe, fragt der 64-Jährige prompt: „Ist der vielleicht abzugeben?“ Dabei steht in seiner Werkstatt seit wenigen Monaten schon wieder ein Schlepper, den er flott machen will. Die Motorhaube ist hin, die Farbe blättert ab. Doch Jürgen Lehnert strahlt, als er den alten Trecker zeigt - einen Famulus aus den 60er Jahren. „Er wird wieder grün mit roten Felgen“, erzählt der Schlepper-Fan. So, wie er einmal ausgesehen hat.
Famulus, das war eine gängige Maschine, die zu DDR-Zeiten in der Landwirtschaft zum Einsatz kam. Und: Sie hat es Lehnert angetan. Schon früh kam er mit den Schleppern in Berührung: Aufgewachsen in der Magdeburger Börde, waren seine Eltern und Großeltern in der Zuckerindustrie tätig. Als Jugendlicher entschied er sich für eine Lehre zum Agrotechniker. Nebenbei half er in der heimischen Landwirtschaft, fuhr mal Milch, mal die Ernte. Und zwar in einem Famulus. „Der fuhr sich fast wie ein Pkw, hatte ordentlich Geschwindigkeit und lenkte sich gut“, so der Trecker-Liebhaber aus Oberschwöditz, einem zu Teuchern im Burgenland gehörenden 65-Seelen-Dorf.
Ackerschlepper komplett auseinandergebaut
Später, als Agronom in der Zeitzer Zuckerfabrik, fuhr er als Berater von Betrieb zu Betrieb. „Da konnte ich dann sämtliche Traktoren sehen und bekam die ganze technische Entwicklung der Landmaschinen mit“, erzählt er. Auch nach der Wende kam er als Versuchstechniker von Südzucker in Zeitz immer wieder mit der Technik in Berührung. Einen Traktor der Firma hat der heutige Rentner, der noch immer hin und wieder beratend im Versuchswesen tätig ist, mit seinem Vorruhestand sogar erworben: einen Massey Ferguson 135 von 1972. Da war seine Sammelleidenschaft bereits geweckt.
Denn da, 2010, besaß er seit ein paar Monaten schon seinen ersten Famulus - Baujahr ’61 und 40 PS -, den er vom heruntergekommenen Gefährt zum blau-blitzenden Liebhaberstück restauriert hat. So, wie er es bei einem Bekannten gesehen hatte. Er baute den Ackerschlepper komplett auseinander, tauschte Teile aus, schraubte und werkelte, baute ihn wieder zusammen und lackierte ihn. Authentisch mit grauen Felgen, versteht sich. Denn: „Die Originalität ist mir sehr wichtig.“ Tüv-Abnahme, fertig. „Es ist ein Traum, so etwas auf die Beine zu stellen“, sagt er schwärmerisch. Inzwischen hat er bereits einen weiteren Famulus, Baujahr ’65 mit 36 PS, komplett aufgearbeitet, in Rot mit gelben Felgen. Für seinen Sohn, der inzwischen (wie auch der Enkel) ebenfalls vom Traktor-Fieber gepackt wurde, selbst aber weniger Zeit hat. Doch der blaue bleibt Lehnerts Lieblingsstück.
250 bis 300 Oldtimer-Traktoren erwartet
Es sind die Erinnerungen an die Jugendzeit, die ihn nach dem Berufsleben zum Bastler in Sachen Trecker gemacht haben, sagt Jürgen Lehnert: „Wenn man sich einmal für die Landwirtschaft entschieden hat, bleibt man ihr ein ganzes Leben verbunden.“ Bei ihm jedenfalls ist es so. Daneben sei es schlicht der Spaß, der das Schrauben für ihn zum großen Hobby macht. Den hat er auch, wenn er mit seinen Schmuckstücken zu Traktorentreffen fährt und dort mit Gleichgesinnten über die Technik fachsimpeln kann. „Ich habe auch viele Freundschaften durch dieses Hobby geknüpft“, erzählt Lehnert. Die Treckerszene sei „eine eingeschworene Gemeinschaft“.
Nächste Woche kommt sie wieder einmal - bei einem der unzähligen Traktorentreffen - zusammen. Und Jürgen Lehnert organisiert mit seinen Mitstreitern der „Schlepperfreunde Oberschwöditz“ mit. Bei ihren Traktorenfreunden im thüringischen Rudelsdorf werden 250 bis 300 Oldtimer-Traktoren erwartet, die bei Ausfahrten präsentiert werden und in Wettbewerben gegeneinander antreten. Da geht es dann etwa darum, welcher dem Original besonders nahekommt, wer seinen Schlepper sehr aufwändig restauriert hat oder herausragende Anbau- und Anhängetechnik vorzuweisen hat. Die Famulus-Trecker stehen im Mittelpunkt, aber auch andere Traktorenhersteller werden erwartet. Lehnert geht davon aus, dass die Resonanz wieder groß sein wird.
Oldie-Gefährte als Geldanlage sehen
Das jedenfalls würde auch Alfred Vogel nicht überraschen. Der Baden-Württemberger ist Vorsitzender des Bundesverbands Historische Landtechnik Deutschland und sagt: „Das Interesse steigt von Jahr zu Jahr. Mittlerweile gibt es deutschlandweit etwa 600 Veranstaltungen im Jahr.“ Nach seinen Schätzungen beschäftigten sich rund 1 000 Vereine mit Oldtimer-Traktoren und anderer historischer Landtechnik. „Das ist echte Nostalgie: Der Klang der Motoren solcher alten Landschlepper ruft bei vielen Erinnerungen an die Jugend hervor“, sagt Vogel. Dabei gebe es auch etliche Frauen, die das Hobby pflegen. Vielen der Technik-Fans gehe es darum, die alten Maschinen zu fahren, etwas Besonderes zu erleben und nicht zuletzt auf Treffen „zu zeigen, was man hat“.
Auch Jürgen Lehnert ist sichtlich stolz auf seine restaurierten Traktoren. Doch bei ihm steht der Spaß im Vorderpunkt. Möge mancher Trecker-Fan seine Oldie-Gefährte als Geldanlage sehen - Lehnert begnügt sich mit seinen Famulus-Modellen, die weit weniger kosten, als etwa Hochkaräter wie große Lanz-Bulldog-Modelle. Sicher, sein Hobby koste „auch ein bisschen“, sagt er. „Aber das ist doch immer so, wenn man ein Hobby intensiv betreibt“, so der Rentner, der rund 40 Jahre lang auch leidenschaftlicher Briefmarkensammler war.
Meisterschaft für Mitteldeutschland?
Begeistert erzählt er davon, wie sie einmal mit Traktor bei einer Ausfahrt „über den Sachsenring gejagt“ sind. Oder, wie er voriges Jahr bei der Oldtimer-Traktor-WM am Großglockner in Österreich mit seinem Massey Ferguson 135 Vize-Weltmeister in seiner Klasse wurde. Bei dem Traktor-Rennen kommt es auf eine möglichst gleichmäßige Geschwindigkeit bei mehreren Fahrten an. Diesen September ist er wieder dabei. Und überlegt, ob man etwas Ähnliches auch hier in der Region veranstalten könnte: „Eine Meisterschaft für Mitteldeutschland auf dem Brocken, das wäre doch was!“
Ob seine Traktorensammlung mit dem neuesten Alten, dem Famulus in seiner Werkstatt, abgeschlossen ist? Man kann es sich denken: Natürlich nicht. „Solange ich mich gut fühle, wird weiter an Famulus geschraubt“, sagt Jürgen Lehnert mit großer Entschlossenheit. Und damit meint er wohl auch umgekehrt: Solange er Famulus schraubt, fühlt er sich gut.
Im thüringischen Rudelsdorf nahe Eisenberg findet am 1. Juni ein Traktorentreffen mit einer Famulus-Sonderschau, Ausfahrten und Bewertungen statt.
Mehr zum Treffen im Internet unter: www.traktorentreffen.de.tl, andere Veranstaltungen unter: www.bhld.eu