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Wimmelbild mit Kavallerie Was ein altes Foto über eine Familie aus Hoym verrät

Großvater von Dietrich Genau leistete Militärdienst in Berlin. Die Frage: Warum waren Dragoner der englischen Königin unterstellt?

Von Regine Lotzmann 13.05.2021, 11:00
Das  Carl-Hesse-Foto zeigt Garde-Dragoner von 1893. Mit auf dem Bild (unten der 4. von links) ist der Großvater von Dietrich Genaus Frau.
Das Carl-Hesse-Foto zeigt Garde-Dragoner von 1893. Mit auf dem Bild (unten der 4. von links) ist der Großvater von Dietrich Genaus Frau. Repro: Frank Gehrmann

Hoym - Wie man es schafft, all die Dinge, die einst zu den Aufgaben der Garde-Dragoner zählten, auf ein einziges Bild zu bringen? Dem Fotografen Carl Hesse ist das gelungen. Und das Ergebnis lockt auch nach über 100 Jahren noch ein staunendes Lächeln hervor.

Doch ganz von vorn: Der Hoymer Ortschronist und Heimatmaler Dietrich Genau, der schon seit Jahren Geschichtliches aus seiner Heimatstadt sammelt, hat diese fotografische Kostbarkeit in seinem Schlafzimmer hängen. Es ist eine Erinnerung an die Vorfahren seiner inzwischen leider verstorbenen Frau. Denn deren Großvater Wilhelm Keitel ist Teil der uralten Fotografie, die aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Wilhelm Keitel, Großvater von Genaus verstorbener Frau, ist auf dem Foto zu sehen

Es ist eine Erinnerung an die Dienstzeit der „Reserve der 3. Escadron des 1. Garde-Dragoner-Regiments der Königin von Großbritannien und Irland“ - abgeleistet von 1890 bis 1893 in Berlin. Warum die Dragoner damals der englischen Königin unterstellt waren? Dietrich Genau weiß es nicht. „Es gibt kein Hoheitszeichen des Kaisers, nur der Royals. Das verwundert mich“, sagt der Hoymer.

Und auch im Internet ist wenig über die Gründe dieser Benennung zu finden. Nur so viel: Das Regiment gehörte zu den Eliten des preußischen Militärs. Und dass es wahrscheinlich etwas mit dem Untergang der preußischen Armee im Krieg gegen Frankreich im Jahr 1806 zu tun haben könnte. Denn danach wurde die Armee neu aufgestellt und reformiert.

„Es gibt kein Hoheitszeichen des Kaisers, nur der Royals. Das verwundert mich.“

Dietrich Genau, Ortschronist in Hoym

Das Abschiedsfoto von Keitels Dienstzeit jedenfalls gleicht einem Wimmelbild, auf dem ständig Neues zu entdecken ist. Pferde, Zelte, eine ganze Koppel. In kleinen Gruppen sitzen oder stehen die Protagonisten - insgesamt 56 Männer in Uniform und oft mit schneidigem Bärtchen - zusammen. Sie lesen Karten, füttern die Pferde oder kümmern sich um die Hufpflege. Die Offiziere - meist Adlige - sitzen hoch zu Ross.

Doch nicht nur die Arbeit scheint den Garde-Dragonern wichtig gewesen zu sein, sondern auch das gemütliche Zusammensein. Da trinken die Männer genüsslich ein Bier, rauchen, spielen Karten und im Kessel wird ein Süppchen gekocht. Keitel, einer alten Hoymer Familie entstammend, war Jagdaufseher. Und auf dem Foto - in der unteren linken Gruppe der vierte von links - hat als einziger einen Dackel dabei. „Das ist schon eigenartig“, findet Genau und überlegt: „Ob er auch dort für die Jagd zuständig war?“

Auch einen Pfeifenkopf von damals hat Dietrich Genau noch.
Auch einen Pfeifenkopf von damals hat Dietrich Genau noch.
Foto: Frank Gehrmann

Denn sein späteres Leben war bestimmt davon. „Ich kenne ihn bloß in Jägeruniform“, bekennt Genau und erinnert sich, dass der Großvater als Jagdaufseher die große Kutsche nutzen durfte, um sein Enkelkind - also Genaus Frau - in Frose zu besuchen. „Das sorgte immer für Aufsehen.“

Das alte Bild hatte Jahre über dem Sofa der Schwiegereltern gehangen, dann in Genaus Atelier. „Aber meine Wände sind voll“, sagt der Künstler und lacht. Was einmal mit dem historischen Foto werden soll, weiß er genau: „Mein Urenkel soll es bekommen, der ist schon acht.“ Ebenso wie den Pfeifenkopf aus Porzellan, auf dem ein Reiter mit blauer Uniform zu sehen ist. Auch den hatte Großvater Keitel von seiner Dienstzeit mitgebracht. Und auch der hat die Zeiten überstanden. (mz)