Wappen in Gatersleben Wappen in Gatersleben: Mickrige Makrele oder doch ein Hecht?

Gatersleben - Sieben Ähren beugen sich im Wind, als Zeichen für die sieben historischen Bauernhöfe. Darunter schwimmt über drei Wellen ein Hecht. Der steht im Schmuckwappen von Gatersleben für Fischreichtum. Denn der Ort lag einst an einem großen - inzwischen aber trockengelegten - See.
Trotzdem könnte der Fisch nun hohe Wellen schlagen. Denn eigentlich ist der Hecht, den Gatersleben seit Jahrzehnten im Wappen führt, überhaupt keiner. „Und das ist bisher niemandem aufgefallen“, schüttelt Ortsbürgermeister Mario Lange den Kopf, durch den die sicher unbeabsichtigte Fischverwechslung nun aufgeflogen ist.
Vorlage in schlechter Qualität
Und das kam so: „Das Wappen wurde in den 90er Jahren im Computer erstellt. Es ist verpixelt, hat eine schlechte Auflösung - man kann nichts damit machen“, erklärt der Ortsbürgermeister, warum er nun den Auftrag gegeben hat, das Schmuckwappen neu zu digitalisieren. Nachzeichnen könne man den Fisch im alten Wappen nicht, das koste zu viel Geld, hatte die Werbefirma erklärt. Und gefragt, ob sie kurzerhand einen neuen Hecht hineinsetzen darf.
Dabei kam jetzt heraus: Ein toller Hecht ist das ins alte Wappen geschmuggelte Schuppentier nicht. Eine mickrige Makrele vielleicht, ulken jetzt Spötter. „Das angedeutete Tigermuster und der Ansatz der Flossen sprechen dafür“, meint ein Angler, der Fischexperte ist.
Oder doch ein Barrakuda?
„Ganz mutig angedeutet könnte es sogar ein Barrakuda sein“, lacht er und zeigt ein entsprechendes Foto, das dem Flossentier im Wappen sehr, sehr nahe kommt. „Aber wo sollte denn in Gatersleben ein Barrakuda herkommen“, winkt er ab. Auch wenn der zumindest ein Pfeilhecht und damit dem Wappentier etwas ähnlicher ist. Doch Barrakudas leben in tropischen und subtropischen Gewässern, auf keinen Fall in einem See im Harzvorland.
Auch eine Makrele hat hier nichts zu suchen, weiß Alexander Hoffmann vom „Herold“. Dieser Berliner Verein widmet sich seit über 140 Jahren der Wappen-, Münz- und Ordenskunde, der Familienforschung sowie der Namens- und Siegelkunde und ist damit auf seinem Gebiet die älteste Fachgesellschaft Europas.
„Das ist alles, aber wirklich kein Hecht“
Hoffmann ist in diesem Verein Vorsitzender des Gremiums, das sich mit der Prüfung von Wappeneintragungen befasst. „Und im Binnenland gibt es die Makrele nicht, eher an der Ost- oder Nordsee“, weiß der Fachmann. „Die Heraldik kennt eine gewisse Stilisierung“, fährt er fort. „Die abgebildeten Dinge müssen aber trotzdem sofort erkennbar sein.“ Und mit Blick auf das Gaterslebener Wappen meint Hoffmann: „Das ist alles, aber wirklich kein Hecht.“
Die Heraldik verwende viele Tiere. Tiere, die in der näheren Umgebung der Menschen vorkommen würden, bis hin zu Fabelwesen. „Und ein Hecht spricht dafür, dass es Fischerei in der Umgebung gab und Fischreichtum.“ Doch der Heraldiker hat bei seinem Blick auf das Wappen noch mehr entdeckt: Nicht nur, dass der „Hecht“ im falschen Schuppenkleid steckt, er schwimmt auch noch in die falsche Richtung.
Ein feiger Fisch?
„Der schwimmt ja weg, das ist ein feiger Fisch“, nennt Alexander Hoffmann eine vereinfacht dargestellte Heraldik-Regel, die man sich so einfacher merken kann. „Die richtige Blickrichtung ist nach vorn, denn er soll den Feind anblicken, ihn erschrecken und angreifen“, erklärt er, dass die Wappen eigentlich von ihren Besitzern einst als Schilde im Kampf getragen wurden.
Das alte Gemeindewappen, das Gatersleben 1938 verliehen wurde, sei da aus fachlicher Sicht das bessere gewesen. Das wurde vom Magdeburger Staatsarchivrat Otto Korn gestaltet. „Und der war ein Meister seines Faches“, weiß Hoffmann. „Wahrscheinlich hat er alles berichtigt, was vorher falsch war“, glaubt der Heraldiker. Denn hier ist der Hecht ein Hecht, der auch noch nach vorne schwimmt. Dazu kämen zehn Rohrkolben auf goldenem Grund, die für ein Seegebiet sprechen.
Dieses Wappen wurde jedoch 1995 durch ein anderes ersetzt, das jetzt, da Gatersleben ein Ortsteil der Stadt Seeland ist, nur noch als Schmuckwappen verwendet werden darf. Warum es einen Wappenwechsel gab, das weiß das Landesarchiv des Landes Sachsen-Anhalt, das für Wappenänderungen zuständig ist.
Genehmigung von 1995
„Weil das 1938 verliehene Wappen ‚in keiner Form den geschichtlichen Hintergründen‘ entspricht und ‚auch nur während der damaligen Zeit geführt‘ wurde, beantragte die Gemeindeverwaltung Gatersleben beim damaligen Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt ein verändertes Wappen, das am 20. März 1995 durch das Regierungspräsidium Magdeburg genehmigt wurde“, hat Jörg Brückner herausbekommen.
Wer dieses Wappen gestaltet hat und was die Veränderungen bedeuten sollen, kann der Dezernatsleiter im Landesarchiv allerdings nicht sagen. „Das geht aus den mir vorliegenden Unterlagen leider nicht hervor.“ Allerdings, schmunzelt Jörg Brückmann, ähnele der im Wappen dargestellte Fisch seiner Meinung nach doch einem Hecht. Als Vergleich hat er sogar ein Foto dabei: ein Hecht in einem See bei Gatersleben.
Brückner selbst ist im Hintergrund als Taucher zu sehen. Doch die Angler und auch Ortsbürgermeister Mario Lange schütteln den Kopf: „Beim Hecht sind Flossen und Schwanz abgerundet und nicht so spitz - und auch die eine Rückenflosse fehlt.“ Für Lange sei das viel eher eine Makrele, die er nun aus dem Wappen verbannen will. „Dass da ein Werbestudio draufkommen musste“, meint er dann, „das spricht schon Bände.“ (mz)