MZ-Serie MZ-Serie aus Aschersleben: Amok in Hoym

Hoym/Aschersleben - „Vorwärts! Auf Rücksicherung achten!“ Die kräftige Stimme des Ausbilders übertönt Schreie und den Knall aus einer der Waffen. Die nackten Wände machen den Schuss zum Donnerschlag.
In der Hoymer Schule hat sich ein Amokläufer verschanzt, Polizeischülerin Sissy Grathenauer und ihr Kollege wissen nicht wo. Sie stürmen weiter durchs Treppenhaus und versuchen, alles zu beachten, was sie gelernt haben. Die Waffe entsichern und im Anschlag halten, Blick nach vorn bzw. in Waffenrichtung halten, sich gegenseitig im 360-Grad-Radius sichern, sich voll auf den Täter fokussieren. Sie haben das Ziel vor Augen: ihn handlungsunfähig zu machen.
Ladehemmung der Waffe ist ärgerlich
Dass die mit Platzpatronen geladene Waffe des jungen Polizeischülers ausgerechnet jetzt Ladehemmung hat, ist nicht geplant und ärgerlich für den künftigen Polizisten. Fieberhaft versucht er, die Maschinenpistole wieder in Gang zu bringen.
Später bei der Auswertung wird er hören, dass das falsch war. Im Ernstfall wäre er ein leichtes Ziel für einen zweiten Täter gewesen, weil er in dem Moment seine Umgebung nicht mehr im Blick hatte.
„Wenn ihr ihn schon habt, dann drauf auf den Mann!“, ermutigt Kriminalkommissar Wolf-Rüdiger Dainat. Dem Ausbilder entgeht nicht der kleinste Missgriff. „Klar sind alle aufgeregt. Und klar machen sie hier richtig Fehler. Aber das ist gut. Denn jeder Fehler, den sie hier machen, der passiert draußen dann nicht.“
Übung ist letzte Herausforderung
Die Amokübung in der seit Jahren leerstehenden Hoymer Schule gehört für Sissy Grathenauer und ihre Mitstudenten zu den letzten großen Herausforderungen in ihrem Studium, bevor sie Ende des Monats ihre Ernennungsurkunden erhalten.
Natürlich hofft jeder von ihnen, nicht irgendwann einmal in eine Lage zu geraten, wie sie am Mittwoch in Hoym simuliert wurde. Doch Amokläufe wie in Erfurt, Winnenden, Ansbach oder München haben gezeigt, dass Polizisten auch für solche Extremfälle gerüstet sein müssen.
Fünf Tage lang dreht sich deshalb noch einmal alles um theoretisches Wissen zu Amoklagen, um polizeiliches Handlungstraining und um Taktik, ehe es in Hoym um die praktische Anwendung geht.
„Die Studierenden brauchen hier alles, was sie gelernt haben“, weiß auch Sprecher Martin Zimmermann um den hohen Anspruch, den die Übung stellt.
Schule ist für Übungszwecke ideal
Die Schule mit ihren vielen Räumen, den langen Fluren und Treppenhäusern ist für Übungszwecke ideal. Die Schwierigkeit ist hier ungleich größer als beim Üben auf vertrautem Terrain in der Fachhochschule.
Inzwischen hat Dainat den Durchgang ausgewertet, vor allem die gute Kommunikation zwischen den Agierenden gelobt. Aber: „Ihr müsst Kraft in eure Stimme legen. Ihr seid die Polizei. Und das muss man auch hören“, fordert er mehr Durchsetzungskraft gegenüber dem Täter.
Sissy Grathenauer hat er in vielen Übungsstunden kennengelernt. Vor allem wissbegierig sei sie, nehme vieles nicht einfach hin, sondern fragt immer wieder nach, warum etwas so und nicht anders gemacht wird. Umsichtig und ehrgeizig sei sie. Und: „Sie wird mal ne gute Polizistin.“
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Sissy Grathenauer ist 27 Jahre alt und kommt aus Haldensleben. Die junge Frau studiert seit Februar 2014 an der Fachhochschule Polizei in Aschersleben und möchte Polizeikommissarin werden. Das Studium dauert drei Jahre. Bis die junge Frau ihr Ziel erreicht hat, wird sie wie ihre Kommilitonen einige Hürden nehmen müssen: Tests, Prüfungen, praktische Ausbildung, viel Sport, Praktika in verschiedenen Dienststellen.
Die MZ darf die Studentin über drei Jahre begleiten, nimmt Anteil an Erfolgen und Rückschlägen und ist bei wichtigen Höhepunkten dabei. Mit dem Bericht möchten wir zeigen, was einen Polizisten heute ausmacht, welche Anforderungen an ihn gestellt werden und wie sich auch die Fachhochschule auf veränderte Bedingungen einstellen muss. Außerdem soll ein kleiner Einblick gewährt werden in den Ausbildungsalltag der renommierten Einrichtung in Aschersleben, die den Polizistennachwuchs für das Land ausbildet.
An der Ascherslebener Fachhochschule wird der Studiengang „Polizeivollzugsdienst“ (BA) angeboten. Das Studium dauert sechs Semester und enthält einschließlich der Trainings 21 Module. (mz)

