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Misshandlungen, überforderte Eltern Misshandlungen, Überforderte Eltern: 232 Kinder im Salzlandkreis leben in Pflegefamilien

Von Marko Jeschor 10.05.2017, 05:45
Wenn Kinder leiden, weil ihre leiblichen Familien in irgendeiner Form überfordert sind, können sie bei Pflegefamilien unterkommen.
Wenn Kinder leiden, weil ihre leiblichen Familien in irgendeiner Form überfordert sind, können sie bei Pflegefamilien unterkommen. Symbolbild/dpa

Aschersleben/Bernburg - Stammen blaue Flecken am Oberarm des Kindes vom Spielen oder könnten sie das Ergebnis einer Misshandlung in der Familie sein? Verliert das Kind Gewicht, weil es eventuell krank ist oder weil es zu wenig zu Essen zu Hause bekommt?

Zahl der Inobhutnahmen stieg an

Es sind Fragen, mit denen sich Experten im Landkreis zunehmend beschäftigen müssen. Die Zahl der sogenannten Inobhutnahmen stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Aktuell leben im Salzlandkreis 232 Kinder bei Pflegefamilien, weil ihre leiblichen Familien in irgendeiner Form überfordert sind. Die Mitarbeiter mussten zudem allein bis Ende März bei 72 Hinweisen 33 Mal Kinder aus den Familien herausholen. Besonders betroffen von diesem Einschnitt sind die bis zu Zehnjährigen.

Familien sind qualifiziert

Die Kreisverwaltung sucht deshalb mittlerweile händeringend weitere Menschen, die einem Kind vorübergehend ein neues Zuhause geben und sich um die hilfsbedürftigen Kinder kümmern (siehe „Voraussetzung für ein Pflegekind“). „Wir benötigen zunehmend die Hilfe von Eltern“, sagte die zuständige Fachbereichsleiterin Petra Czuratis bei einem Gespräch in Schönebeck.

„In den Bereitschaftsfamilien gibt es keinen Leerlauf.“ Diese Familien sind besonders qualifiziert und kümmern sich vor allem um Kinder in größter Not, bis die weitere Perspektive geklärt ist. Finden sich nicht genügend Pflegeeltern, müssen Kinder wohl oder übel ins Heim.

Laut Czuratis liegt der Trend nicht unbedingt daran, dass mehr Familien mit ihren Kindern nicht klarkommen. Vielmehr „ist die Aufmerksamkeit geschärft worden“. Sie verweist auf ein Netzwerk im Landkreis, das sich „mit niederschwelligen Angeboten“ um werdende beziehungsweise junge Familien kümmert:

Hebammen, Kinderärzte und Erzieher informieren

Partner des Netzwerkes sind unter anderem Hebammen, Kinderärzte und Erzieher in Kindertagesstätten. Es gebe mittlerweile in allen Kindereinrichtungen sogenannte Kinderschutzfachkräfte, die die Anzeichen einer möglichen Kindswohlgefährdung genau einzuschätzen wissen.

Auch bieten Vereine wie der Pflegeelternverein Aschersleben/Staßfurt oder Zuhause Bernburg Kurse an, die ein Gefühl dafür vermitteln, was das Wort Familie bedeutet. Andererseits betont Marion Stellfeld vom Jugendamt, bekommen jetzt die Kinder, deren Eltern nach dem Mauerfall in eine Krise gerutscht sind, verursacht etwa durch den Verlust des Arbeitsplatzes, selbst Kinder. „Die Kinder sind dabei natürlich auch auf der Strecke geblieben.“

Frühzeitige Hilfe verhindert Schlimmeres

Das soll sich laut Landrat Markus Bauer (SPD) nicht noch einmal in dem Maße wiederholen. Er sieht deshalb die Politik in der Pflicht. Man müsse eine solche Entwicklung frühzeitig verhindern. „Sonst stellen wir in zehn Jahren fest, dass sich die Jugendlichen nicht einordnen können.“ Das sei am Ende nicht nur ein Problem innerhalb der Familie, sondern ein gesamtgesellschaftliches - etwa dann, wenn Kinder den Schulabschluss nicht schaffen, deshalb nur schlecht einen Job bekommen und letztlich auch von der Altersarmut bedroht sind. Verglichen mit den nicht zu beziffernden Kosten klingen die 1,5 Millionen Euro im Haushalt des Landkreises geradezu wenig.  (mz)

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Grundsätzlich kann jeder ein Pflegekind aufnehmen. Allerdings achtet das Jugendamt bei der Entscheidung darauf, ob die interessierte Familie in der Lage ist, Erziehungsverantwortung zu übernehmen. Das heißt, sie muss eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen, ihren Lebensunterhalt bestreiten können und auch die Räume für ein Kind haben.

Bei Alleinstehenden achten die Experten auf ein soziales Netzwerk. Die Aufgaben der Pflegefamilie sind vielfältig. Wichtig ist laut Landkreis zunächst, dem neuen Kind Nähe und Geborgenheit zu vermitteln und zu wissen, dass das Kind aus zumeist schwierigen Verhältnissen kommt.

Daneben unterstützten sie es in der jeweiligen Lebenssituation. Verlangt wird auch eine Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie. Klar müssen sich die Pflegefamilien auch darüber sein, dass sie das Kind zumeist nur für eine begrenzte Zeit betreuen. Wie lange, hängt vom Einzelfall ab.  

››Interessenten melden sich unter Telefon 03471/684 16 36 oder 16 83 (mz)