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Krebs-Gefahr durch die Ehle Krebs-Gefahr durch die Ehle: Kindertagesstätte in Egeln teilweise gesperrt

Von Andreas Braun 26.01.2018, 19:05
Auf dem Gelände der Kita werden Proben genommen.
Auf dem Gelände der Kita werden Proben genommen. Archiv/Matthias Strauss

Bernburg/Egeln - Als im Mai 2000 der Spatenstich für den neuen Industriepark in Westeregeln (Salzlandkreis) erfolgte, waren die Lokalpolitiker voll des Lobes für die Firma Solvay.

Es sei ja leider nicht immer so, dass sich „Alteigentümer um die Revitalisierung ihrer Industriebrachen“ kümmerten, hieß es damals lobend. Und: Untersuchungen am Standort des alten Solvay-Akaliwerkes hätten ergeben, dass es dort keine erhöhte Belastung mit Schadstoffen gibt.

Giftige Chemikalien in der Ehle

Heute ist allerdings klar: Der kleine Fluss Ehle in Westeregeln und seine Ufer sind mit giftigen Chemikalien belastet.

Es sind alarmierende Informationen, die die Egelner am Donnerstagabend erfahren haben. Eine Studie, die im August 2017 vom Land in Auftrag gegeben wurde und bereits am 21. Dezember dem Umweltministerium vorlag, belegt, dass der Schlamm des Flusses hochgradig mit PCB und PCN belastet ist.

Das sind Chlorverbindungen, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein und das Immunsystem zu schwächen. Die Stoffe kommen

in Transformatoren oder auch Holzschutzmitteln vor und sind seit über 15 Jahren verboten.

Krebserregende Stoffe aus alter Alkalifabrik

Die Herkunft des Gifts scheint klar: die alte Alkalifabrik, die von 1932 bis 1964 in Westeregeln in Betrieb war und in der es 1961 einen verheerenden Brand gab, bei dem hunderte Tonnen von Schadstoffen verbrannten, die über das Löschwasser in die Ehle gelangten.

Doch auch vorher wurden vermutlich Schadstoffe in den Fluss geleitet. Die Stoffe sind nicht wasserlöslich und haben sich deshalb auch nach Jahrzehnten im Schlamm nicht zersetzt, so Hans-Joachim Berger, der an der Studie mitwirkte.

Geringe Konzentration in Saale und Bode

Es bestehe keine große Gefahr für die nachfolgenden Gewässer der Ehle, das sind die Bode und dann die Saale. Zwar seien hier auch PCB und PCN nachgewiesen worden, doch in geringer Konzentration, hieß es beim Salzlandkreis auf Nachfrage. Lediglich beim Genuss von Aal solle man vorsichtig sein.

Die Stoffe, die für die Verseuchung der Ehle verantwortlich sind, können allerdings nur mit einer Maßnahme aus dem Fluss verbannt werden: Der gesamte Schlamm muss komplett entfernt werden, so Berger. Wie man mit den angrenzenden Flächen umgeht, werde man sehen, wenn alle Bodenproben untersucht sind.

Gefahr für Kinder der Kita in Egeln

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Flächen in der Nähe der Ehle bei Egeln mit dem zehnfachen Wert des Zulässigen belastet sind. Es bestehe Gefahr für spielende Kinder, so warnt die Studie. Der Landkreis, der erst vor einer Woche von der Situation erfuhr, reagierte sofort.

„Wir lassen die Außenflächen der Kita in Egeln sperren und werden den Boden untersuchen. Wenn die Ergebnisse es erlauben, wird die Fläche wieder freigegeben. Auch das Grundwasser wird untersucht“, so Landrat Markus Bauer (SPD), der einen Krisenstab von 15 Leuten zusammengestellt hat.

Bodenproben werden untersucht

Seit Freitag werden die Außenanlage und später auch die Innenraumluft des Kindergartens „Bördespatzen“ analysiert. „Wir bitten aber um Verständnis, dass wir etwa drei Wochen brauchen, um verlässliche Ergebnisse zu haben“, appelliert Bauer an die Bewohner der Ortschaften.

Auch ist das Betreten der Flächen entlang des Flusses untersagt. Die Beschilderung der Uferzonen sowie ein Angelverbot sind ebenso geplant. Bis zur Umsetzung werden Empfehlungen ausgesprochen. Außerdem werden Brunnenproben entnommen.

Gift im Mais und Weizen

Die landwirtschaftlichen Flächen sind zum Teil so hoch belastet, dass empfohlen wird, sie erst nach gründlicher Untersuchung für eine Nutzung freizugeben.

Es sind auch Schadstoffe im Weizen und im Futtermais festgestellt worden, die über den zulässigen Werten liegen. Eine Kontrolle nach dem strengeren Lebensmittel- oder Futtermittelgesetz sei allerdings noch nicht erfolgt.

„Wir wussten, dass hier Schadstoffe enthalten sind. Doch in dieser Höhe hat uns das überrascht“, sagte Klaus Rehda, Staatssekretär im Umweltministerium, auf der Bürgerversammlung. Bereits im Jahr 2015 sei bei Arbeiten des zuständigen Unterhaltungsverbands auch an der Ehle gebaggert worden.

Bei den in der Ehle gefundenen Stoffen handelt es sich um PCB und PCN. Das sind polychlorierte Biphenyle und polychlorierte Naphtaline. Es sind organische Giftstoffe, die früher in viele technische Anwendungen genutzt wurden. PCB ist seit 2001 weltweit verboten, hat sich aber weltweit in der Atmosphäre und tierischen Fetten ausgebreitet. Beide Stoffe sind giftig und gelten als krebsauslösend.

Der Schlamm wurde an der Böschung gelagert. Bei Proben sei festgestellt worden, dass das Sediment Schadstoffe enthält. Man wollte sichergehen, dass es sich wirklich um eine Gefährdung handele, sagte Rehda auf die Frage, warum es mehr als zwei Jahre dauerte, bevor man nun mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit geht.

Bewohner von Egeln sind besorgt

Besonders hart betroffen sind die Egelner. Gut 250 Einwohner waren zur kurzfristig einberufenen Einwohnerversammlung gekommen. Bis zu 500 Internetnutzer folgten einem extra dafür eingerichteten Livestream.

Es gab unter den Zuhörern zwar besorgte Gesichter, aber insgesamt scheint die Studie nicht zu überraschen. Die meisten blieben gelassen. „Wir leben hier schon lange, und ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand hier an dem gestorben ist, was in der Ehle herumschwimmt“, meint einer der Besucher.

Die Firma Solvay sieht sich indes nicht in der Verantwortung für das jetzt gefundene Gift im Bach. Das Unternehmen hat die Alkaliwerke laut einem Unternehmenssprecher 1939 gekauft „und gleich darauf bis zur Stilllegung keinen Einfluss mehr gehabt“, sagte er. (mz)