HC Salzland HC Salzland: Emotionale Zeilen

Aschersleben - Da standen sie nun, die tapferen Kriegerinnen. Die letzten Jubelschreie waren gerade abgeklungen, da wurden gestandene Frauen von ihren Emotionen überwältigt. Wer sich ihnen zuerst beugen musste, ist unklar. Doch ein Domino-Effekt setzte ein. Viele Tränen flossen. Die Mannschaft, die wenige Minuten zuvor noch in beeindruckender Manier den HSV Marienberg mit 24:22 niedergekämpft hat, wirkte auf einmal so verletzlich.
Sie wusste, dass sie sich mit den auf weißen Blättern gedruckten Worten: „Danke für eure Unterstützung“, bei den Fans nicht nur aus der Drittliga-Spielzeit verabschiedete. Sondern für immer.
„Ich würde die ganze Zeit weinen“
Der HC Salzland hat seine erste Mannschaft zur kommenden Saison abgemeldet. Die Wildgänse werden bald Geschichte sein. Eine Woche genießen sie noch Artenschutz, nach der Partie bei Handball Bad Salzuflen ist aber schlagartig alles vorbei.
Es waren emotionale Szenen, die sich am Sonntag nach dem Erfolg gegen Marienberg in der Staßfurter Paul-Merkewitz-Halle abspielten. So emotional, dass sie auch einen Tag später noch nicht komplett verarbeitet waren. „Ich glaube, wenn wir heute telefonieren würden, würde ich die ganze Zeit weinen“, gab Josephine Klauß unumwunden zu. Die Torhüterin wollte ihre Gedanken lieber in schriftlicher Form festhalten.
Und sie schrieb. Viele emotionale Zeilen. Offen und ehrlich: „Selbst heute vergeht dieses mulmige Gefühl nicht“, gestand Klauß. „Die Tränen kullern immer noch.“
Seit mehreren Wochen wussten die Spielerinnen bereits, was auf sie zukommt. Einfacher wurde es trotzdem nicht. „Den Gedanken verdrängt man immer“, meinte die Torhüterin. Sie ließ dafür tief in die Seele einer Mannschaft blicken: „Als wir vor dem Spiel unseren Kreis gemacht haben, sind schon die ersten Tränen geflossen.“
Dennoch schafften es die Wildgänse sich noch einmal zu fokussieren. „Weil die ganze Situation in ihnen auch Trotz ausgelöst hat“, beobachtete René Linkohr. Auch ihm, dem manchmal etwas streng wirkenden Trainer, fiel es schwer die richtigen Worte zu finden: „Hier geht etwas zu Ende, was sehr traurig ist.“ Seine Stimme klang bedrückter als sonst. „Meist erwischt so etwas ja Mannschaften, über denen eh schon das Damoklesschwert des Abstiegs hängt“, sagte Linkohr.
Doch beim HC Salzland ist das anders. Die Mannschaft wird die Saison auf dem vierten Rang in der 3. Liga beenden. „Zurecht“, meinte der Trainer, „das haben wir noch einmal untermauert.“ Gegen den HSV Marienberg zeigten die Wildgänse noch ein letztes Mal vor heimischer Kulisse, welch großartiges Kollektiv sie sind.
„Die Mannschaft hat das Spiel gewonnen“, beschrieb René Linkohr, „nicht die Individualistinnen.“ Die Erzgebirglerinnen haben große Qualität, das haben sie am Sonntag bewiesen und einen 3:9-Rückstand nach einer Viertelstunde, bis zum Seitenwechsel beim Stand von 11:10 für den HC Salzland, beinahe ausgeglichen. Aber sie vermittelten kein Wir-Gefühl. Weshalb Linkohr gestand: „Ich war in keiner Weise beunruhigt.“ Die Wildgänse mussten das letzte Heimspiel einfach gewinnen. Alles andere wäre ungerecht gewesen.
„Wir sind eine kleine Familie“
„Kurz vor Spielende“, berichtete Josephine Klauß dann, „hat man schon die ersten Tränen gesehen.“ Schließlich ertönte der letzte Abpfiff in der Paul-Merkewitz-Halle. „Wir waren unglaublich glücklich, dass wir gewonnen haben“, meinte die Torhüterin, „aber dann hat uns die traurige Realität eingeholt.“ Eine gestandene Mannschaft lag sich weinend in den Armen. Die Zuschauer wussten nicht warum. Es war ein befremdliches Bild.
„Man kann nicht beschreiben, wie wir uns gefühlt haben“, sagte Josephine Klauß. Die Wildgänse waren für die Spielerinnen mehr als nur Sport. „Wir haben so viel gemeinsam erlebt“, erklärte die 27-Jährige weiter, „wir haben gelacht, geweint, gezickt, gekämpft.“ Kurzum: „Wir sind eine kleine Familie.“ Doch: „In diesem Moment, ist uns bewusst geworden, dass es nie wieder so sein wird.“
Mit einer Ausnahme. Am kommenden Sonntag wartet der wirklich letzte Akt auf die Wildgänse. Sie spielen in Bad Salzuflen.
„Ich glaube“, meinte Klauß, „dass wir dem Spiel mit gemischten Gefühlen entgegen gehen.“ Auf der einen Seite der sportliche Ehrgeiz. „Wir werden nichts abschenken“, versicherte Trainer Linkohr. Und auch die Torhüterin weiß: „Wir haben noch eine Rechnung offen.“ Bad Salzuflen war in dieser Spielzeit die einzige Mannschaft, die bei den Wildgänsen gewinnen konnte. Doch das Sportliche wird auf der Fahrt nach Nordrhein-Westfalen nicht überwiegen, das gab Josephine Klauß zu: „Viel schlimmer ist der Gedanke: Das war’s dann!“ (mz)
