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HC Aschersleben HC Aschersleben: Der Gratwanderer in Person

Von Tobias Grosse 10.12.2015, 18:39
Bei Siebenmetern geht Pit Seifert mittlerweile weniger Risiko ein.
Bei Siebenmetern geht Pit Seifert mittlerweile weniger Risiko ein. Hartmut Bösener Lizenz

Aschersleben - Es sind die kleinen Schwächen, die Sportler in der Rückschau manchmal überlebensgroß erscheinen lassen. Pit Seifert war nie bekannt dafür, sich den einfachsten Weg auszusuchen. An diesem Tag jedoch ging der 22-Jährige offenkundig ein zu hohes Risiko. Er lief alleine auf das Tor der HG 85 Köthen zu, es stand 7:9.

Die zahlreichen Fans, die den HC Aschersleben vor einigen Wochen nach Köthen begleiteten, hielten alle den Atem an. Jedem war klar, in einem Spiel, in dem sich Aschersleben lange Zeit schwertat, muss der Linksaußen diese Chance nutzen, es war eine dieser viel beschrieenen Hundertprozentigen. Doch Seifert wollte nicht einfach irgendein Tor werfen, es sollte doch bitteschön auch ein spektakuläres sein. Also setzte er zum Trickwurf hinter seinem eigenen Rücken an - und scheiterte kläglich, HG-Keeper Sebastian Loske musste sich nicht einmal bewegen.

Aschersleben gewann die Partie noch mit 30:27. Im Endeffekt also, war alles gut. Doch dieser Wurf hallte nach, es gab den einen oder anderen ironischen Spruch von Teamkollegen. Seifert parierte sie allerdings mit seinem ihm eigenen spitzbübischen Lächeln.

„Das ist halt mein Stil“

Dies huscht ihm auch übers Gesicht, als er auf seine bei Torerfolgen spektakulär aussehende, aber auch riskante Spielweise angesprochen wird. Er sagt dazu lapidar: „Das ist halt mein Stil.“ Und: „Man muss ja auch immer mal ein bisschen was anderes probieren.“

Pit Seifert ist ein Hasardeur, er scheut auf der Platte kein Risiko. Dreher und Heber, generell Trickwürfe - sie sind in den letzten Jahren eine Art Markenzeichen von ihm geworden. „Manchmal“, ist er sich sicher, „kann man damit einen Torhüter auch verunsichern.“ Seifert kann mit seinem Handgelenk Dinge anstellen, die in medizinischen Fachbüchern in der Kategorie „anormal“ auftauchen würden, und die in der Mitteldeutschen Oberliga nur wenige können.

Doch sein Spielstil birgt natürlich immer auch ein gewisses Risiko in sich, das weiß er. Vielleicht kann kein anderer Spieler des HC Aschersleben die Meinungen so sehr spalten, wie der Linksaußen. „Mache ich sie, lieben sie mich. Mache ich sie nicht, hassen sie mich“, sagt er. Es ist eine Gratwanderung. Pit Seifert geht dieses Risiko aber bewusst ein: „Ob ich scharf werfe und nicht treffe oder mit einem Trickwurf nicht treffe: Fehlwurf ist Fehlwurf.“ Nur sieht ein gescheiterter Trickwurf für ihn natürlich immer etwas blöder aus. Ihm huscht wieder dieses spitzbübische Lächeln übers Gesicht: „Ich denke mir dann: gut gehalten.“

Man muss aber auch festhalten, dass Seifert selten Grund hat, sich diese Gedanken zu machen. Er zählt seit Jahren beständig zu den besten Torschützen des HCA, auch aktuell ist er mit 51 Treffern nach elf Spielen der treffsicherste Akteur. Seine Wurfquote von 63 Prozent ist für einen Außen gut, aber bei seinen technischen Möglichkeiten immer noch ausbaufähig. „Es können immer mehr Tore sein“, sagt er.

Provozieren? „Das gehört dazu“

Und manchmal, da wird man auch dieses Gefühl nicht los, dass Pit Seifert, der trotz seiner jungen Jahre schon über reichlich Erfahrung verfügt, die Schwelle zum erwachsenen Handballer noch nicht überschritten hat. Es sind Momente, in denen man den Anschein gewinnt, er würde sich gerade mehr mit seinem Gegenspieler als mit sich selbst beschäftigen. Er provoziert dabei zuweilen mit seiner Körpersprache. „Das gehört im Sport dazu“, gibt er unumwunden zu, „damit muss man umgehen können.“

Doch er wandelt damit auf einem schmalen Grat. Manche Gegner lassen sich beeinflussen, kassieren auch mal eine unnötige Zwei-Minuten-Strafe. Doch zeitweise, da wirkt es dann so, dass auch Seiferts Konzentration darunter leiden würde. „Mit diesen Extremen spiele ich“, sagt er. Am Sonnabend (Ballhaus, Anwurf: 19 Uhr) empfängt der HC Aschersleben nun den HC Burgenland. Es ist das letzte Spiel des Jahres. Pit Seifert wird wieder sämtliche Grenzen ausreizen.

Nur eines, dass hat er sich mittlerweile abgewöhnt. „Bei den Siebenmetern“, sagt er, „mache ich keine Trickwürfe mehr.“ Noch vor ein oder zwei Jahren hätte man auf der Tribüne Wetten eingehen können, dass der erste Siebenmeter von Pit Seifert in einem Spiel ein Heber sein würde. Man hätte gute Chancen gehabt, zu gewinnen. „Ein Siebenmeter ist aber immer noch wichtiger“, sagt Seifert, „daher bin ich davon ab. Und ich denke, das ist auch richtig so.“ (mz)