Handball Handball: Anhalt-Fans verlassen frustriert die «Hinz-Hölle»
bernburg/MZ. - Es läuft die 52. Minute in der Drittliga-Partie zwischen dem SV Anhalt Bernburg und der HSG Gensungen / Felsberg. Nachdem die Gastgeber das Spielgerät zum wiederholten Mal nicht zum Nebenmann bringen und das
Streitobjekt nach einem wilden Pass beim Gegner landet, verlassen die ersten Zuschauer beim Stand von 21:28 die Bruno-Hinz-Halle.
"Ich kann die Fans verstehen, die gehen", meinte Stadtwerkechef Gerald Bieling, der kurz darauf auch dem Ort des Grauens den Rücken kehrte. "Das ist Arbeitsverweigerung. Das Elend kann man sich nicht mehr mit ansehen", schimpfte der Vorsitzende des Handball-Trägervereins, Klaus Kahler. "Eigentlich müssten wir alle aufstehen und gehen", traf ein Zuschauer den Nagel auf den Kopf.
Zum vierten Mal verließen die Bernburger Handballer nach dem 27:32 (13:14) gegen Gensungen / Felsberg in dieser Saison ihre
Heimstätte als Verlierer. Doch in einer so desolaten Verfassung präsentierten sich die Schwarz-Gelben vor heimischer Kulisse in diesem Spieljahr noch nie. Allein in der ersten Halbzeit ließen die Gastgeber, die beim 4:3 (9.) zum letzten Mal vorn lagen, acht glasklare Möglichkeiten aus. Nur durch die überragende Leistung von Keeper Artur Gawlik, der in den ersten 30 Minuten zwölf Bälle parierte, flüchteten die Zuschauer nicht schon nach 15 Minuten aus der Halle. Die Saalestädter schafften nach dem 5:9-Rückstand (17.) beim 11:11 (23.) sogar den Ausgleich. Doch die Chance zur 12:11-Führung versiebte Martin Hoffmann, der nach einem Konter an HSG-Keeper Michael Stahl scheiterte.
Aber nicht nur der Rechtsaußen erwischte einen rabenschwarzen Tag. Der sonst so zuverlässige Kreisläufer Tobias Rindert zeigte Nerven beim Abschluss und versiebte drei Hochkaräter. Die beiden Rückraumspieler Frank Grohmann und Kilian Kraft standen total neben den Schuhen. Grohmann gelang kein einziger Treffer aus dem Feld. Kraft vereitelte die Konterversuche der Teamkollegen durch übertriebene Dribblings, statt den Ball schnell und exakt nach vorn zu spielen. Außerdem wurde der halblinke Aufbauspieler durch die
5:1-Deckung der Gäste mit versetzter Spitze fast völlig aus dem Spiel genommen.
"Wir haben gegen diese verschobene Spitze keine Lösung gefunden", meinte Bernburgs Trainer Sven Liesegang, der auch mit allen Mitteln versuchte, seine Deckung dicht zu bekommen. Die Abwehr, egal in welcher Variante, ließ Keeper Gawlik in der zweiten Halbzeit jedoch schmählich im Stich. So durften die Gastgeber beim 18:18 (38.) und eigenem Ballbesitz zum letzten Mal am Sieg schnuppern. Doch Steffen Cieszynski brachte den Ball ebenfalls nicht an "Hexer Stahl" vorbei. Einige sehr fragwürdige Pfiffe der Referees Nils und Sven Weigelt, die jedoch eine bessere Leistung als die Anhalt-Handballer ablieferten, beschleunigten die Bernburger Talfahrt. Die 6:4-Überzahl nutzten die Gäste, um sich auf 22:18 (42.) abzusetzen.
"Ich gehe sonst nie nach einem Spiel zu den Referees, doch dieses Gespann hat nicht zum ersten Mal einige zweifelhafte Entscheidungen gegen uns getroffen", haderte Liesegang mit den Unparteiischen.
Noch unzufriedener dürfte der Coach jedoch mit einem Großteil seines Personals gewesen sein. Bis auf Enrico Lampe und Alexander Weber stemmte sich kein Bernburger gegen das drohende Debakel. Der unbedingte Wille war beim Rest der Truppe jedenfalls nicht zu spüren. Das war zu wenig, um den Funken vom Parkett auf die erstaunlich ruhige Tribüne überspringen zu lassen.
"Es war noch nie so einfach wie heute, in Bernburg zu gewinnen", meinte Anhalt-Kapitän Martin Wartmann. Als die Schwarz-Gelben fünf Ballverluste in Serie produzierten und die Hessen durch einfache Kontertore von 26:21 (51.) auf 31:21 (56.) davon zogen, riss auch den Treuesten der Treuen der Geduldsfaden. Entweder blieben die geschockten Anhalt-Anhänger wie erstarrt auf ihren Plätzen bis zum Abpfiff sitzen. Oder sie gingen.
Anhalt: Gawlik, Gudonis (ab 50.); Hoffmann (3), Cieszynski (6 / 1), Kraft (2), Lampe (5), Grohmann (1 / 1), Wartmann (1), Steinbrink, Rindert (5), Weber (4) Gensungen: Stahl; Bauer, Ober (3), Hütt (3), Bärthel (1), Vogt (1), Schanze (7), Viehmann (6 / 2), Julius (6), Wiegräfe, Gherhard, Walther (5) Schiedsrichter: Weigelt / Weigelt (Gütersloh) - Zuschauer: 475 - Strafminuten: 10:10 - Siebenmeter: 3 / 2:2 / 2 - Beste Spieler: niemand - Stahl, Julius, Schanze