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Vorharzer Heimstätte Gesamter Wohnungsbestand wurde verkauft

Jenaer Immobilienfirma übernimmt 685 Gebäude in Frose, Hoym, Nachterstedt und Neu Königsaue.

Von Regine Lotzmann 29.05.2021, 14:00
In Nachterstedt gibt es zahlreiche Wohnungen, die der ?Vorharzer Heimstätte? gehört haben.
In Nachterstedt gibt es zahlreiche Wohnungen, die der ?Vorharzer Heimstätte? gehört haben. Foto: Frank Gehrmann

Seeland/Aschersleben - Nun ist es offiziell: Die Wohnungsgesellschaft „Vorharzer Heimstätte“ hat ihre Immobilien verkauft. 677 Wohnungen in Frose, Hoym, Nachterstedt und Neu Königsaue und acht Gewerbeeinheiten. Neuer Eigentümer ist die Seeländer Wohnungsgesellschaft, eine 100-prozentige Tochter der Immobilienconsulting GmbH Jena.

„Die großen Fehler wurden schon vor 20 Jahren gemacht“

„Wir haben es uns nicht einfach gemacht“, gibt Seeland-Bürgermeisterin Heidrun Meyer zu, die für die Stadt Seeland spricht. Der gehören 87,67 Prozent der Gesellschaft. 17,33 Prozent besitzt die Stadt Aschersleben - durch die Eingemeindung von Neu Königsaue. Doch die Probleme sind den Kommunen über den Kopf gewachsen. „Wir haben lange diskutiert, wie wir alles auf gesunde Füße stellen können“, sagt die Bürgermeisterin. „Und der Wechsel war notwendig, weil wir nicht zukunftsfähig gewesen wären.“ „Die großen Fehler wurden schon vor 20 Jahren gemacht“, bestätigt auch Oberbürgermeister Andreas Michelmann. Die Gesellschaft habe sich so schon seit langer Zeit in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen befunden - eine latente Insolvenzgefahr.

Mittlerweile 30 Prozent Leerstand und Sanierungsstau

Als Gründe dafür nennt Heidrun Meyer Kredite und Mindereinnahmen. Denn immer mehr Wohnungen standen über die Jahre leer - durch Bevölkerungsrückgang, Wegzüge, Arbeitslosigkeit. Inzwischen sind es knapp 30 Prozent Leerstand. Der Spielraum für Sanierungen wurde immer kleiner - inzwischen liegt der sogenannte Sanierungsstau bei mindestens sechs Millionen Euro. „Doch wir wollten die Wohnungen damals in kommunaler Hand behalten“, sagt Meyer. Deshalb gab es mehrere Rettungsversuche. Dazu gehörte ein Millionen-Darlehen vor über zehn Jahren, dass die Städte noch immer abzahlen müssen. Auch weitere Versuche, die „Gesellschaft wieder fit zu machen“ seien nicht gelungen, ergänzt Michelmann.

„Was wird aus uns? Müssen wir raus? Gibt es Mieterhöhungen?

Reiner Olbrich, der seit 2017 Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft ist, hat deshalb in den letzten Jahren zwei mögliche Lösungsmöglichkeiten verfolgt. Die eine war eine Neuausrichtung der Gesellschaft, bei der die Wohnungen weiter auf einen Kernbestand reduziert werden sollten. Gepaart mit einer Teilentschuldung. „Wir haben uns wirklich hochrangig bemüht, Unterstützung zu finden, aber leider ist das nicht gelungen“, gesteht Olbrich. Deshalb entschieden sich die Gesellschafter und die beiden Stadträte für einen Verkauf der Immobilien, deren Wert sich laut Gutachten auf acht Millionen Euro beläuft.

Der Vertrag ist am Donnerstag unterzeichnet worden, erklärt Reiner Olbrich. „Gleich danach haben wir die Mieter informiert, sie sollten es als Erste erfahren“, sagt die Seeland-Bürgermeisterin. Olbrich weiß, dass die Mieter vor diesem Wechsel große Angst gehabt hätten. „Was wird aus uns? Müssen wir raus? Gibt es Mieterhöhungen? Das waren die Fragen, die im Raum standen“, erzählt der Geschäftsführer. Doch diese Ängste seien unbegründet, finden sowohl Olbrich als auch die beiden Stadtoberhäupter. Es gebe vertragliche Vereinbarungen und das Mietrecht. „Und es liegt ja auch im Interesse des neuen Besitzers, so viele Mieter wie möglich zu haben“, ergänzt Meyer.

Für zuverlässigen Investor entschieden

Zudem habe man nicht den erstbesten Bieter genommen, sondern sich für einen zuverlässigen Investor entschieden. Käufer ist eine eigentümergeführte Immobiliengruppe, die 1999 gegründet wurde und damit schon lange am Markt geschäftstätig ist. „Der Investor kommt also aus dieser Branche und hat schon mehrfach Land und Kommunen Immobilien abgekauft und Erfahrung mit dem sozialen Wohnungsbau“, sagt die Bürgermeisterin und spricht auch von guten Referenzen. „Auch Herr Olbrich hat nachgeforscht, ob die Gesellschaft im Sinne ihrer Mieter tätig ist. Und wir haben nichts Negatives erfahren.“ Oberbürgermeister Andreas Michelmann ergänzt: „Wir haben uns nach bestem Wissen und Gewissen erkundigt, was die Gesellschaft bisher so gemacht hat, ob Immobilien gleich weiterverkauft wurden.“

Doch die Prüfungen seien positiv ausgefallen. „Und ich denke, dass wir damit eine Chance bekommen haben, dass in den Orten wieder eine Entwicklung stattfinden kann, für die wir nicht mehr hätten sorgen können.“

Durch den Verkauf der Immobilien und einen weiteren Schuldenerlass durch die Banken ist die Gesellschaft „Vorharzer Heimstätte“ nun schuldenfrei. Das Gesellschafterdarlehen, das die Städte weiter abbezahlen müssen, betrifft das allerdings nicht. Die Wohnungsgesellschaft soll dann im nächsten Jahr liquidiert werden. Bis dahin gebe es noch etwas Arbeit. „Wir haben noch kleine Restbestände an Grundstücken. Wege und Grünflächen, die wir an die Stadt übergeben wollen. Verbindlichkeiten mit Versorgungsträgern, die geklärt werden müssen“, zählt Olbrich die anstehenden Arbeiten auf, die vor der Auflösung noch zu tun sind. (mz)