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Gedenken an Opfer des Faschismus Gedenken an Opfer des Faschismus: Die Toten vor der Haustür

Von Felix Filke 28.01.2020, 10:56
Ellen Fauser von der Interessengemeinschaft Todesmärsche (von links), Könnerns Bürgermeister Mario Braumann (parteilos) und Stadträtin Martina Schaar (Linke) legen Blumen am Grab für die Opfer des Faschismus nieder.
Ellen Fauser von der Interessengemeinschaft Todesmärsche (von links), Könnerns Bürgermeister Mario Braumann (parteilos) und Stadträtin Martina Schaar (Linke) legen Blumen am Grab für die Opfer des Faschismus nieder. Felix Filke

Piesdorf - Etwa 25 Menschen stehen in dem kleinen Örtchen Piesdorf auf dem noch kleineren Friedhof, jeder von ihnen hat eine weiße Rose in der Hand. Ein starker Wind pfeift durch die blattlosen Bäume - es ist kalt, sehr kalt. Die Leute haben einen Halbkreis gebildet, den Blick auf ein mit Kieselsteinen bedecktes, schmuckloses Grab gerichtet. „Zum ehrenden Gedenken der Opfer des Faschismus“ steht auf dem Grabstein am Kopfende des Grabes.

Genau deswegen haben sich die zwei Dutzend Menschen am Montagvormittag auf dem Friedhof versammelt: Sie wollen nicht vergessen und das Gedenken wachhalten an die Gräueltaten der Nazizeit. Auch in Piesdorf. Nein, gerade in Piesdorf.

Eine Geschichte von Leid und Mord

Denn egal ob Auschwitz, Buchenwald, Theresienstadt oder Dachau: Es sind berühmte Ortsnamen wie diese, die für immer mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden.

Aber das Grauen hat sich natürlich nicht auf die großen Lager beschränkt. Auch Piesdorf hat seine Geschichte zu erzählen. Und wie so viele andere auch, ist es eine Geschichte von Leid und Mord.

Gerda Meyer erinnert sich daran, auch wenn die heute 79-Jährige damals noch gar nicht im Ort gewohnt hat. Sie kam erst 1946 aus Schlesien. Aber aus Erzählungen weiß sie, dass ein Todesmarsch von KZ-Häftlingen auch durch Piesdorf getrieben wurde. Vier der Häftlinge waren ausgerissen hatten sich in den kleinen Wäldchen rund um Piesdorf versteckt.

Hunde des Schäfers fanden die Knochen der Toten

Auch mit Hilfe von zwei Ortsansässigen wurden sie aber von den Nazis entdeckt. Und direkt erschossen. Im Frühjahr 1947 haben die Hunde des heimischen Schäfers die Knochen der Toten gefunden, erzählt Gerda Meyer. Viel über die genauen damaligen Hintergründe zu erfahren, sei aber sehr schwierig gewesen: „Es traute sich ja niemand, etwas zu erzählen.“

Begraben wurden die Toten in genau jenem Grab, vor dem sich nun die kleine Menschenschar versammelt hat. Sie legen Blumengestecke und die weißen Rosen aufs Grab. Für die Toten. Gegen das Vergessen.

Darunter ist auch Könnerns Bürgermeister Mario Braumann. Er sagt: „Wenn man sich heute in der Welt umsieht, dann merkt man, dass die Welt sehr schnell vergisst.“ Gerade bei der Jugend gehe das Interesse für die Geschichte verloren. Auch an diesem Montag ist kein junges Gesicht dabei - es ist aber natürlich auch ein Arbeitstag.

27. Januar ist kein zufälliges Datum des Gedenkens

Der 27. Januar ist nicht zufällig zum Tag für dieses Gedenken gewählt worden: Es ist das Datum der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und seit 2005 der von den Vereinten Nationen anerkannte Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

Das Gedenken in Piesdorf, zu dem auch das Vorlesen von Zeitzeugenberichten, ein jüdisches Gebet und eine Ansprache von Pfarrer Thomas Meißner gehörten, wurde von Ellen Fauser und Hans Richter von der Interessengemeinschaft Todesmärsche organisiert. Es war ein kalter Tag. Mit einer warmen Geste. (mz)