Eine bewegte Geschichte Eine bewegte Geschichte: Alligators treffen auf Einheit Plauen

Aschersleben - Es ist Dienstagabend, mittlerweile kurz nach halb neun. Das Training des HC Aschersleben wurde vor zwei, drei Minuten beendet, die Sporthalle Bestehornpark leert sich. Doch zwei Leute bleiben noch auf einer knarksenden Holzbank sitzen. Einer davon: Dino Spiranec. Der kroatische Torhüter der Alligators nimmt sich Zeit, um der Mitteldeutschen Zeitung seine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die vor 24 Jahren in Koprivnica, nahe der kroatisch-ungarischen Grenze seinen Anfang nahm und ihn inzwischen nach Aschersleben gebracht hat.
26 Mal Kroatien und zurück
Alles begann mit dem Interesse am Handball - neben Fußball Nationalsport in Kroatien. Dino Spiranec war früh fasziniert - und talentiert. In der Jugend des Rekordmeisters RK Zagreb ausgebildet, stand er schon mit 17 Jahren in der 2. kroatischen Liga im Tor. „Aber dort“, erzählt Spiranec, „kommen nur Top-Spieler nach.“ Die Möglichkeiten für den Nachwuchskeeper waren begrenzt. Sein Ehrgeiz nicht. Um zu sehen, was er verbessern kann, ließ er sich in jedem Spiel von seinen Eltern filmen. Eine Aktion, zunächst aus reiner Strebsamkeit, die noch zukunftsträchtig werden sollte. Denn die Eltern schnitten die Highlights in ein Video zusammen und veröffentlichten es auf dem Internet-Videoportal YouTube.
Mit dem HC Einheit Plauen gastiert am Sonnabend (19 Uhr) der Tabellenvierte im Ballhaus in Aschersleben. Und die Sachsen werden von einem, für alle HCA-Fans, alten Bekannten trainiert: Sven Liesegang. Der als Spieler Champions League Sieger mit dem SC Magdeburg (2002) war, und als Coach lange Zeit Anhalt Bernburg betreute. Seit Saisonbeginn ist der 45-jährige Liesegang nun in Diensten des HC Einheit Plauen.
Und hat diesem sogleich seine Philosophie eingetrichtert. Als Abwehrspezialist bekannt, stellt Einheit Plauen dank Sven Liesegang in dieser Saison bisher die beste Abwehr der Mitteldeutschen Oberliga (284 Gegentore). (tg)
Genau in jener Zeit, in der bei Dino Spiranec der Wunsch wuchs, ins Ausland zu wechseln. „Ich wollte selbstständiger werden“, erinnert er sich, „und das Ausland, bietet dazu mehr Möglichkeiten.“ Das YouTube-Video erreichte auch Deutschland. Der Keeper bekam eine E-Mail von Germania Borne, wurde zum Probetraining eingeladen. Und nach drei Tagen in der kleinen Gemeinde nördlich von Staßfurt, „waren alle zufrieden“, erinnert sich der Kroate. „Und anfangs, als alle nur Englisch gesprochen haben, war alles super.“
Der 24-Jährige hatte in der Schule zwar Deutsch, traute sich aber nicht es zu sprechen: „Ich hatte Angst, dass ich was falsches sage.“ Dino Spiranec wollte nicht mit Worten überzeugen, sondern mit Leistung. „Ich habe in jedem Spiel durchgespielt“, meint er, „und wir waren erfolgreich.“ Germania Borne stieg in der Saison 2012/13 in die Sachsen-Anhalt-Liga auf - mit der besten Abwehr. Spiranecs Verdienst? Der Kroate überlegt zum ersten Mal in diesem Gespräch länger. Dann grinst er und sagt ganz bewusst: „Es gibt keine erfolgreiche Mannschaft, ohne guten Torhüter.“ Sportlich schien er also angekommen in Deutschland. Doch es blieb eine andere Sprache und Kulter. Und das alles 1500 Kilometer weg von zu Hause. „Es war eine schwierige Zeit für mich“, meint Spiranec rückblickend.
Zumal er mehr gab, als er zurück bekam: „Ich kann sagen, dass ich mich für Borne aufgeopfert habe.“ Um Probleme mit einer Aufenthaltsgenehmigung zu vermeiden, flog er in der Aufstiegssaison 26 Mal nach Kroatien und wieder zurück. „Aus Borne hat sich niemand darum gekümmert“, verrät Spiranec. Die Kosten trug er auch selbst. Es ist ein Thema, was ihm augenscheinlich immer noch nahe geht: „Es war alles nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe.“
Selten im Einsatz
Doch Dino Spiranec ist niemand der aufgibt, ganz im Gegenteil. „Ich wollte mehr“, sagt er , „ich wollte mich hier weiterentwickeln.“ So kam der Kontakt zum HC Aschersleben im Sommer 2013 genau recht. Ein Wechsel stand im Raum, Borne stellte sich quer. „Da sind harte Worte gefallen“, sagt Spiranec, „und zwar nicht von meiner Seite.“ Das Verhältnis war endgültig zerrüttet. Anfang des Jahres kam der unausweichliche Schritt. Der Torhüter verließ Borne und wechselte nach Aschersleben. In die 3. Liga - der sportliche Aufstieg ging weiter.
Doch vorerst nur auf dem Papier. Spiranec kam selten zum Einsatz. „Das hatte ich mir anders vorgestellt“, gesteht er. Andreas Böhm und Mantas Gudonis standen in der Rangliste noch vor ihm. „Das sind gute Jungs, die waren schon lange hier“, sagt der Kroate heute, „da war es klar, dass ich sie nicht einfach verdränge.“ Im Sommer verließ Böhm aber den HCA. Dino Spiranec wurde zur Nummer zwei hinter Gudonis, kam bisher in zehn von elf Spielen zum Einsatz und kann eine Quote von 44 Prozent gehaltenen Bällen aufweisen. Doch er will mehr. Und scheut sich nicht, das zu sagen: „Jeder ehrgeizige Spieler wäre nicht zufrieden.“ Aber: „Ich bin auch stolz darauf, wie ich mit der Situation umgehe.“
„Sie braucht mich“
Der HC Aschersleben wird nicht der letzte Verein in Spiranec Vita sein, so viel ist klar. Er will mehr: „Ich kann noch alles verbessern“, sagt der Torhüter selbstbewusst. Doch hat er auch ein bestimmtes Ziel? Er zögert zum zweiten Mal im Gespräch sehr lange. Doch dann, bei der Nachfrage was in seiner Karriere noch möglich sei, platzt es aus ihm heraus. „Alles ist möglich“, so Spiranec, der schon vor der Partie mit den Alligators am Sonnabend gegen Einheit Plauen (19 Uhr, Ballhaus) an den Abpfiff der Partie denkt. Denn nach dem letzten Spiel des Jahres reist der Keeper nach Kroatien: „Ich freue mich unheimlich auf zu Hause.“
Es ist mittlerweile schon kurz nach neun, das Gespräch mit Dino Spiranec neigt sich dem Ende entgegen. Der kroatische Keeper konnte eine bewegte Geschichte erzählen. Einen letzten Wunsch hat er aber noch: „Bitte, erwähne meine Mama, sie muss unbedingt erwähnt werden.“ Der Torhüter will ihr damit eine Freude mache, denn seine Mutter leidet zur Zeit an einer schweren Krankheit. „Sie braucht mich, ich möchte am liebsten nur zu Hause sein“, sagt Dino Spiranec, „aber ich muss halt auch meinen Weg gehen.“ (mz)