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Kinder im Krieg Dietrich Genau aus Hoym: Ortschronist erlebte als Achtjähriger erlebte Todesmarsch von KZ-Häftlingen aus Langenstein

Von Regine Lotzmann 18.11.2018, 10:54
Das Buch „Kinder des Krieges“ wurde in Magdeburg präsentiert. Mit dabei waren Dietrich Genau aus Hoym und andere Zeitzeugen.
Das Buch „Kinder des Krieges“ wurde in Magdeburg präsentiert. Mit dabei waren Dietrich Genau aus Hoym und andere Zeitzeugen. Regine Lotzmann

Hoym - „Daran teilzuhaben, das war in meinem Leben das Entscheidendste und Bedeutendste“, sagt Dietrich Genau und bekommt schon wieder eine Gänsehaut.

Denn der Hoymer Ortschronist ist Teil eines ganz besonderen Projektes. Er hat am Buch „Kinder des Krieges“ mitgeschrieben, bei dem 29 Zeitzeugen aus der Ukraine und aus Deutschland abwechselnd die im Zweiten Weltkrieg erlebten Grauen schildern, die sie als Kind oder Jugendliche erdulden mussten.

Es gehe um existenzielle Bedrohungen, um Tod, Zerstörung und grenzenloses Leid, aber auch um Hoffnung, Mitgefühl und menschliche Größe, erklärt die Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt. Die hat gemeinsam mit der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, der Geschichtswerkstatt Merseburg - Saalekreis und der Ukrainischen Organisation der Kämpfer des antifaschistischen Widerstandes dieses Buch nach zwei Jahren intensiver Arbeit herausgebracht.

Häftlinge aus Langenstein wurden 1945 durch Hoym getrieben

Dass der Hoymer Teil dieses internationalen Erinnerungsprojektes ist, macht ihn stolz und sei eigentlich eher dem Zufall zu verdanken. „Seit gut zehn Jahren stehe ich mit der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge in Verbindung“, sagt der 80-Jährige. Das Konzentrationslager in der Nähe von Halberstadt war ein Außenlager von Buchenwald. Über 7.000 Menschen waren dort im letzten Kriegsjahr eingepfercht, viele davon kamen ums Leben.

Und der Todesmarsch, auf den die letzten gehfähigen Überlebenden von den Nazis am 9. April 1945 - also kurz vor der Befreiung des Lagers - geschickt wurden, führte auch durch Hoym.

Genau berichtet seit Jahren den Teilnehmern der internationalen Camps

Über das, was dabei passiert ist, hat Genau deshalb seit Jahren den Teilnehmern der internationalen Camps berichtet, die von der Gedenkstätte nach Hoym geschickt wurden. „Und deshalb hatte mich Kai Langer, der Direktor der Stiftung Gedenkstätten von Sachsen-Anhalt angerufen und gefragt, ob ich mit meiner Geschichte das Buch bereichern möchte.“

Das wollte der Hoymer. „Das war für mich eine ganz große Ehre, wo doch so viele andere den Anspruch hätten, ihr Leid zu schildern“, gibt er zu. Und so erzählt er nun auf fünf Seiten, die mit Bildern angereichert sind, was damals in Hoym passierte. Gleich dahinter ist die Geschichte unter dem Titel „Wir Kinder hatten zuvor noch nicht erlebt, wie grausam Menschen sein können“ ins Ukrainische übersetzt.

Buch wurde in der Deutschen Botschaft in Kiew vorgestellt

Vor wenigen Tagen nun wurde das Buch in der Deutschen Botschaft in Kiew vorgestellt - durch den deutschen Botschafter in der Ukraine. Jetzt auch in Magdeburg in der Landeszentrale für politische Bildung. Dort lernte Dietrich Genau auch Anastasija Gulej kennen, von der die Anregung für dieses Projekt stammt.

Und Viktor Sosow, der dem Cover sein Gesicht gab. Denn der kleine Junge mit dem Teddybären und den großen Augen auf dem Titelbild, das war er. „Er hatte dieses alte Kinderfoto von sich mitgebracht und mir, als er neben mir saß, seine Hand aufs Bein gelegt. Das ging mir durch und durch“, sagt der Deutsche, der von dieser schlichten Geste tief berührt war.

„Es darf nicht vergessen werden"

Beide nahmen - dafür hatte Genau einen Tag vorher spontan seine Zusage gegeben - am Podiumsgespräch der Zeitzeugen teil. Und es gab bei der Buchpräsentation, zu der der Hoymer seine Freunde Harald Albrecht und René Strutzberg mitgenommen hatte, auch noch andere prominente Gäste. Irina Tybinka etwa, die ukrainische Botschaftsrätin. Oder Gunnar Schellenberger, der Staatssekretär für Kultur in Sachsen-Anhalt.

Für den Hoymer eine bewegende Veranstaltung und ein bewegendes Buch. „Das ist wichtig, damit man immer daran erinnert wird, wie grausam diese Ausläufer der Rechten waren“, sagt Genau und macht klar: „Es darf nicht vergessen werden. So etwas muss in den Köpfen bleiben.“ (mz)

Dietrich Genau
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Gehrmann