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13 Tote Busunglück auf A14 bei Könnern: Wie der Hopsten in Nordrhein-Westfalen verändert hat

Von Detlef Färber 17.06.2017, 16:04
Sechs Meter tief in den Abgrund stürzte im Juni 2007 auf der A14 bei Löbejün ein Reisebus aus dem Münsterland.
Sechs Meter tief in den Abgrund stürzte im Juni 2007 auf der A14 bei Löbejün ein Reisebus aus dem Münsterland. Archiv-Foto: ZB

Könnern/Hopsten - Reiseleiter Hermann Bücker war bester Laune, stand vorn beim Busfahrer und scherzte mit seinen Freunden in der ersten Reihe. Dann ging alles ganz schnell: Ein ungeheurer Knall, ein gewaltiger Stoß von hinten, Schreie, Stürze und herumfliegende Gegenstände.

Bücker fiel über den Busfahrer hinweg und ... - wachte eine Stunde später im Krankenwagen wieder auf. Wo er sogleich gebeten werden musste, bei der Identifizierung von einigen Toten behilflich zu sein.

Was war geschehen? Erst zwei Jahre später war es wirklich klar - bei der Gerichtsverhandlung gegen einen Lkw-Fahrer: „Zu spät bemerkt“ habe er den „fast stehenden Bus“ auf der A14 zwischen Plötzkau und Könnern Richtung Dresden, so gestand unter Tränen der 48-Jährige, der den wohl schwersten Verkehrsunfall in der Region Halle seit der Jahrtausendwende verursacht hatte.

Er sei mit mehreren Fahrzeugen der Baufirma, für die er tätig war, „Kolonne gefahren“ und habe in den Rückspiegel geschaut, „wo denn die Kollegen bleiben“, so zitierte die Kölnische Rundschau das Geständnis des Angeklagten in seinem Prozess. Und: Er sei völlig geschockt gewesen, als er den Bus so nahe vor sich bemerkte: „Ich war nicht mehr fähig, eine Bremsung einzuleiten“.

Busunfall auf der A14 bei Könnern: Lkw-Fahrer erfährt Vergebung

Dass der Laster ungebremst auf den Reisebus auffuhr, führte dazu, dass die Wucht des Aufpralls den Bus von der Autobahn schob und in einen sechs Meter tiefen Abgrund neben der Fahrbahn stürzte.

13 Menschen starben - allesamt Senioren eines Vereins aus Hopsten im westlichen Münsterland. Mehr als 30 weitere wurden teils schwer verletzt. „Neun Monate Haft auf Bewährung“, so lautete das Urteil für den ansonsten unbescholtenen Unfallverursacher, dem nur diese eine verhängnisvolle Unachtsamkeit vorzuwerfen war und dem seine Verzweiflung über das Geschehene deutlich anzumerken gewesen sei, hieß es.

Der Lkw-Fahrer sei zudem zu einer Gedenkfeier ein Jahr später nach Hopsten gekommen und wird mit dem Satz zitiert: „Ich habe Vergebung erfahren, das hätte ich so nicht erwartet.“

Busunglück auf der A14 bei Könnern: Unglück bewegt das ganze Dorf

Nicht erwartet hatten wohl auch die Leute aus Hopsten, dass der Unfallverursacher kommen würde. Johannes Kramer, damaliger Ortsbürgermeister des Dorfs in dem Gemeindeverbund im Tecklenburger Land, das den Namen Hopsten trägt, erinnert sich.

Der Pfarrer des zumeist katholischen Dorfs habe nach dem Unglück im Krisenstab mitgearbeitet und eine hervorragende seelsorgerliche Arbeit in den schweren Wochen geleistet.

Es sei ja das ganze Dorf betroffen gewesen: „Jeder hier kannte die Opfer“, sagt Kramer. Und jeder habe ständig mit jemandem zu tun, in dessen Familie das Unglück eine Lücke gerissen hat.

Busunglück auf der A14 bei Könnern: Verein besteht weiter und macht weiter Ausflüge

Längst erinnert übrigens auch eine Gedenktafel in der Hopstener Kirche an die 13 Todesopfer des Busunglücks, bei denen es übrigens geblieben ist. Denn alle weiteren 30 Businsassen haben laut Kramer ihre zum Teil schweren Verletzungen überlebt.

Ihr Verein, der „Landwirtschaftliche Ortsverein“, besteht weiter und auch gemeinsame Ausflüge und Reisen finden wieder statt. Kramer war inzwischen sogar einige Male in Dresden - dort, wohin die Reisegruppe an jenem 18. Juni 2007 unterwegs war.

Und jeweils habe er mit seinen Begleitern am Unglücksort Rast gemacht und seiner verunglückten Freunde und Bekannten gedacht. Und sich wohl auch gefragt, ob Unfällen dieser Art nicht viel besser vorgebeugt werden könnte.

Busunglück auf der A14 bei Könnern: Maßnahmen bei Lkw-Verkehr zeigen Wirkung

Zunächst darf dazu festgestellt werden, dass Reisebusse normalerweise zu den sichersten Verkehrsmitteln gehören - mit (laut Statistischem Bundesamt) im Schnitt der letzten Jahre um die zehn Unfalltoten pro Jahr - deutschlandweit. (Noch sicherer sind Linienbusse.)

Zumindest etwas getan hat sich seit der Katastrophe von 2007 aber hinsichtlich der Lkw-Sicherheit. Denn die sei, so sagt eine Sprecherin des Automobilclubs ADAC, „generell ein Problem“.

Und das, obwohl sich die Zahl der bei Unfällen mit Lkw-Beteiligung Getöteten statistisch seit dem Jahr 2000 mehr als halbiert hat (auf 415 deutschlandweit im Jahr 2015).

Im gleichen Jahr ist zudem eine Verordnung in Kraft getreten, derzufolge in der EU zugelassene Lkw-Neufahrzeuge mit „Notbrems-Assistenten“ ausgerüstet sein müssen, die die Geschwindigkeit notfalls selbsttätig drosseln. Zudem, so die Sprecherin, empfehle der ADAC den Herstellern „die Entwicklung von Spurhilfeassistenz-Systemen zwecks Straßenkantenerkennung voranzutreiben - samt die weiterer Systeme, die Fußgänger oder Motorradfahrer erkennen.

Busunglück auf der A14 bei Könnern: Unglück hat Hopsten stärker gemacht

Winfried Pohlmann, Hopstens hauptamtlicher Bürgermeister, stellt zehn Jahre später fest, dass „die Wunden im Ort zwar langsam heilen, aber dass Narben bleiben.“

Doch es habe sich in der schweren Zeit auch gezeigt, „dass die Leute hier zusammenhalten können. Und, dass die Nachbarschaft funktioniert.“ Hopsten sei im Unglück stärker geworden.

Auch Hermann Bücker, der Reiseleiter der Hopstener Gruppe von vor zehn Jahren, wird gerade wieder stärker, denn er absolviert derzeit eine Reha-Kur. An dem Gottesdienst am Sonntag, in dem in Hopsten der Todesopfer von der Autobahn 14 gedacht werden soll, kann der nun 79-Jährige also nicht teilnehmen. Doch bis zur nächsten Busreise seines Vereins, die nach Mecklenburg führen soll, will Bücker fit sein. (mz)