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Landarzt (72 Allgemeinmediziner aus Giersleben im Wippertal: Friedrich Schneeweiß wurde mit seinen Patienten alt

Von Kerstin Beier 01.03.2018, 10:55
Friedrich Schneeweiß ist auch jenseits der 70 noch für seine Patienten da.
Friedrich Schneeweiß ist auch jenseits der 70 noch für seine Patienten da. Frank Gehrmann

Giersleben - Friedrich Schneeweiß ist ein Durchhalter. Auch kurz vor seinem 72. Geburtstag geht er noch täglich in seine Praxis in Giersleben oder fährt übers Land. Denn auch in Groß Schierstedt und Drohndorf warten Patienten auf ihn - viele schon recht betagt.

Besuche bei chronisch kranken Patienten

Einmal im Quartal macht er zusätzlich „seine Runde“, wie er es nennt. Dann besucht er chronisch Kranke, die nicht mehr zu ihm kommen können. Zwischendurch übernehmen seine beiden Praxisschwestern Cindy und Sabrina die Hausbesuche.

Sie dürfen zwar keine Diagnosen stellen und keine Therapie ansetzen, doch sie können nach dem Rechten schauen und den Doktor rufen, wenn es notwendig ist.

Der promovierte Allgemeinmediziner Friedrich Schneeweiß ist buchstäblich mit seinen Patienten alt geworden; zum Teil behandelt er heute die erwachsenen Kinder derer, die schon zu ihm kamen, als die Praxis in Giersleben noch „Landambulatorium“ hieß und er dort als blutjunger Doktor angefangen hatte.

Schneeweiß kennt viele Familiengeschichten

Er kennt fast jeden hier und könnte eigentlich ein Buch schreiben, wie er meint. Er weiß um die persönlichen Verhältnisse der Kranken, hört die Familiengeschichten und klebt manches Pflaster nicht nur auf die körperlichen, sondern auch auf seelische Wunden. Rund 1.000 Patienten sind es, die der gemütlich wirkende Mediziner zu betreuen hat.

An das Ende seiner beruflichen Laufbahn denkt er in dem Wissen, dass es nicht nur für ihn, sondern für viele Landärzte schwierig ist, einen Nachfolger zu finden. Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Sachsen-Anhalt seien landesweit 56 Hausärzte registriert, die nach einem Nachfolger suchen.

30 Prozent der Hausärzte im Land sind mehr als 60 Jahre alt

Etwa 30 Prozent der Hausärzte sind nach Angaben der KV derzeit 60 Jahre und älter. Bei ihnen sei zu vermuten, dass sie eine Praxisabgabe vorbereiten. Grundsätzlich entscheiden sie als Freiberufler aber selbst, wie lange sie arbeiten möchten.

Junge Leute zieht es nach Meinung von Friedrich Schneeweiß nur noch bedingt aufs Dorf. Die Strukturen passen einfach nicht zu den Lebensvorstellungen junger Fachärzte für Allgemeinmedizin - zumal dann nicht, wenn sie Familien haben. Diesen Eindruck bestätigt die KV und nennt Gründe, die deutschlandweit gelten: zunehmende Bürokratisierung, Budgets bei den Honoraren und die Regressgefahr für veranlasste Leistungen.

Viele Dörfer sind nicht attraktiv für junge Mediziner

Speziell für ländliche Bereiche komme hinzu, dass oftmals die Infrastruktur als ungenügend betrachtet wird. Hierbei würden oft die schlechte Anbindung an den Nahverkehr, fehlende Freizeit- und Kulturangebote und auch fehlende Arbeitsmöglichkeiten für den Partner

genannt. Deshalb sei es wichtig, so schnell wie möglich die Zulassungsquote zum Medizinstudium für diejenigen umzusetzen, die später gerne als Landarzt arbeiten möchten. Ein wenig wehmütig denkt Schneeweiß manchmal an die Verhältnisse in den Metropolen, wo das Hausarztprinzip längst durchgesetzt sei. „Jedes Haus ein Arzt“, sagt er scherzhaft.

Um eine Lösung für sich zu finden und sein Lebenswerk in jüngere Hände zu geben, steht Schneeweiß in engem Kontakt mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Für ihn sei das Ende eines langen Berufslebens abzusehen, doch es liegt ihm am Herzen, dass seine Patienten auch in Zukunft wohnortnah versorgt werden können.

Ärztemangel herrschte nach seinen Worten schon, als er ins Berufsleben startete. Nach Abschluss des Studiums an der Martin-Luther-Universität Halle begann er seine Ausbildung zum Allgemeinmediziner am Krankenhaus in Aschersleben. Schon zu dieser Zeit wurde er tageweise im Landambulatorium in Giersleben eingesetzt, weil Not am Mann war.

Pendeln zwischen Schackenthal, Schierstedt und Strummendorf

Zum Ambulatorium gehörten damals noch eine Zahnärztin in Giersleben sowie Praxen in Schackenthal, Klein Schierstedt, Groß Schierstedt und Strummendorf. Ständig pendelte er von da nach dort und promovierte auf dem Gebiet der Urologie. Doktorvater war der früh verstorbene Prof. Kamal Eltahir, Chefarzt der Urologie im Ascherslebener Krankenhaus.

Nach der Wende entschloss er sich, das Ambulatorium zu kaufen und baute es bei laufendem Betrieb zur Einzelpraxis um. Bereut habe er diesen Schritt nie. „Ich fand das selbstständige Arbeiten immer gut“, sagt der Doktor. Auch wenn er sich auf einen Zeitpunkt, aufzuhören, noch nicht festlegen will: Pläne für den Ruhestand hat er.

So möchte er mehr Zeit für spontane Unternehmungen und Hobbys pflegen: das Reisen und Fotografieren. (mz)