Sachsen Sachsen: Tillich ist sympathisch, sonst nichts
DRESDEN/MZ. - Es zeichnet ein trostloses Bild von den Regierungskünsten des CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. Geschrieben hat es Harald Noeske, ein Insider, der mehr als 20 Jahre als hoher Beamter mitarbeitete. Der 67-Jährige sagt, die Regierung sei in eine Art Dornröschenschlaf gefallen. "Sie schläft von Jahr zu Jahr fester."
Ein Beispiel für die "Substanzlosigkeit und Blutleere" der Regierung lieferte am vergangenen Dienstag Kultusminister Roland Wöller (CDU). Erbost trat er zurück, weil er nicht länger für Stundenausfall und Lehrermangel an den Schulen den Kopf hinhalten wollte. Wöllers Widerstand war ungeschickt, sein Rücktritt kam zu spät. Innerhalb der CDU teilen viele aber seine Sorgen.
Sachsen steht in Pisa-Tests immer ganz vorn und macht seit sechs Jahren keine neuen Schulden mehr. Aber die radikale Sparpolitik der CDU / FDP-Regierung werde dazu führen, dass dem Land in den nächsten acht Jahren etwa 8 000 Lehrer fehlen. "Wir sind in einer dramatischen Gefechtslage", nennt es der CDU-Abgeordnete Thomas Colditz, ein angesehener Schulpolitiker. Er wirft der eigenen Regierung mangelndes Format, Dilettantismus und Arroganz vor. Die gegenwärtige Situation in der sächsischen Bildungspolitik nennt er erschreckend. "Die Politik dieser Regierung ist nicht zielführend."
Zwar hat der 52-jährige Tillich am Donnerstag fix mit der parteilosen Brunhild Kurth eine neue Kultusministerin ernannt. Aber das Problem ist nicht aus der Welt, ebenso wenig das Gemurre in den eigenen Reihen. Es ähnelt immer mehr dem, was die Opposition seit Jahren gegen Tillich vorbringt. Dünkelhaft, arrogant, überheblich, ideenlos - so lässt es sich zusammenfassen. Die Regierung spart. Ansonsten: Nichts.
Als Tillich vor kurzem verkündete, dass Land werde in acht Jahren zu einem Geberland im Finanzausgleich aufsteigen, lachte die Opposition. CDU-Mann Colditz nennt solches Gerede über Sachsen, das wie alle Ostländer einen Großteil seiner Einnahmen aus Transferleistungen bezieht, schlicht einen "Wahn". Wegen solchen Worten muss er nun mit dem Rauswurf aus der Fraktion rechnen. Denn Ruhe ist Pflicht. Es mache ihm Angst, wenn es zur Politik gehöre, Leute mit kritischen Positionen wegzubeißen, sagt er. Aber der 54-Jährige will sich "keinen Maulkorb verpassen" lassen.
Die Opposition wirft Tillich vor, abgesehen von Selbstdarstellerei und naseweisen Reden Richtung Westen nichts zu tun. Sein persönliches Regieren beschränke sich auf Fahrten durch das Land und Fotos, auf denen er Kinder hochhalte und lächle. Sobald etwas schwierig werde, verlasse Schönwetterkapitän Tillich die Brücke und überlasse die Probleme seinen Ministern. Ihm fehle jede Vorstellung, wohin sich das Land entwickeln solle, meint SPD-Chef Martin Dulig.
Zu einem ähnliche Ergebnis ist auch Noeske gekommen. Unter Tillich gehe es weniger um inhaltliche Arbeit als um Termine, die einfach nur einen sympathischen Ministerpräsidenten bewerben sollten. Kommunizieren als reiner Selbstzweck.