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Sachsen Sachsen: Folter-Skandal in Jugendgefängnis

05.07.2009, 15:39
Insassen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen halten ihre Beine aus den Fenstern. (FOTO: DDP)
Insassen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen halten ihre Beine aus den Fenstern. (FOTO: DDP) ddp

Regis-Breitingen/ddp. - Wiedas Nachrichtenmagazin «Focus» berichtet, hat die StaatsanwaltschaftLeipzig gegen zwei Tatverdächtige Anklage wegen versuchten Mordeserhoben. Den zur Tatzeit 15 und 24 Jahre alten Häftlingen werdevorgeworfen, ihren Mitgefangenen im Mai 2008 brutal misshandelt undzum Suizid gedrängt zu haben. Schließlich sollen die beidenAngeklagten versucht haben, ihr Opfer eigenhändig zu töten.

Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte am Wochenende dasVorliegen einer Anklageschrift. Darin seien «im Großen und Ganzen»die in dem Bericht aufgeführten Vorwürfe enthalten, so etwa derVorwurf des versuchten Mordes.

Die stellvertretende Anstaltsleiterin Claudia Ramsdorf sagte, dasKlima in der Jugendhaftanstalt sei generell keineswegs vonpermanenter Aggression geprägt. «Derartige Vorfälle lassen sich abernicht hundertprozentig vermeiden.» In der Jugendstrafanstalt verbüßenRamsdorf zufolge gegenwärtig 330 junge Männer ihre Strafen. Sie seienin der Regel zwischen 14 und 24 Jahre alt.

Laut «Focus» sollen die beiden mutmaßlichen Täter ihr Opfer imDuschraum mit kochendem Wasser übergossen und mit einem Besenstielgeschlagen haben. Zudem haben sie laut Anklage ihren Mithäftling aneinen Stuhl gefesselt und ihm ein Handtuch über den Kopf geworfen.Anschließend sollen sie dem Opfer gemeinsam mit weiteren Häftlingenein Hakenkreuz und SS-Runen auf den Oberkörper gemalt haben.

Die Beschuldigten sollen dem Mann zudem gedroht haben, dassrussische Häftlinge ihn auf grausame Art töten wollten und bereitsein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt sei. Aus Angst versuchte der18-Jährige, sich in seiner Zelle zu strangulieren, überlebte jedoch.Daraufhin sollen die Angeklagte den Plan gefasst haben, den jungenMann mit einem Gürtel zu erdrosseln. Trotz Atemnot gelang es demOpfer, sich zu befreien und das Wachpersonal zu alarmieren.

Der Fall erinnert stark an den Foltermord von Siegburg inNordrhein-Westfalen. Dort hatten drei junge Häftlinge im November2006 einen Mitgefangenen zu Tode gequält.

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Holger Zastrow, forderteeine umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit und des Parlaments. Ererinnerte zugleich an mehrere Suizide in der vor weniger als zweiJahren in Betrieb genommenen Anstalt. «Zum einen belegen dieSelbstmorde und die nun bekannt gewordene Tat, dass hinter denhochmodernen Mauern der JVA erschreckende Zustände herrschen müssen»,sagte Zastrow. «Zum anderen ist es mehr als verwunderlich, dass dieÖffentlichkeit erst über ein Jahr nach der Tat von ihr erfährt.»

Die Jugendexpertin der Grünen im Landtag, Elke Herrmann,kritisierte, es sei «ganz und gar unverständlich», dass erst mit demVorliegen der Anklageschrift die Tat bekannt geworden sei und nunüber notwendige Konsequenzen gesprochen werden könne. «Wir haben inSachsen eine moderne Jugendstrafvollzugsanstalt», sagte Herrmann.«Das allein genügt aber nicht. Der Vorfall zeigt, dass über dieBedingungen des Vollzugs eine neue Debatte nötig ist», betonte sie.

Der Rechtsexperte der Linken im Landtag, Klaus Bartl, sagte, derVorfall sei ein weiterer Beweis dafür, dass der Jugendstrafvollzug inSachsen das Gegenteil von Resozialisierung und Erziehung zurGewaltlosigkeit bewirke. Er warf Justizminister Geert Mackenroth(CDU) vor, weder den Rechtsausschuss des Landtags noch denAnstaltsbeirat unterrichtet zu haben.