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Kommentar zum Streit um Qualifikation Wildwuchs im Standesamt

Viele Kommunen haben die Vorschriften zur Qualifikation ausgehebelt. So geht das nicht.

Von Hagen Eichler 02.04.2024, 07:40
MZ-Kommentator Hagen Eichler
MZ-Kommentator Hagen Eichler (Foto: Andreas Stedtler)

Magdeburg/MZ - Wenn zwei Ehewillige vor die Standesbeamtin treten, hoffen und erwarten sie, dass alles klappt. Aus den Boxen soll die ausgewählte Musik erklingen, die Ansprache soll zugewandt und feierlich sein, und nach Möglichkeit sollte nicht das Feuerzeug zum Entzünden der Kerzen streiken und für peinliche Momente sorgen. Für die stimmungsvolle Ausgestaltung dieses Verwaltungsakts braucht die Standesbeamtin ein sicheres Auftreten, Einfühlungsvermögen und gute Rhetorik. Ein Studium ist ganz sicher nicht vonnöten.

Anders sieht es bei den sonstigen Aufgaben aus, die im Standesamt erledigt werden. Der Verband der Standesbeamten weist zu Recht darauf hin, dass das gesamte Personenstandswesen weitaus komplizierter ist als früher.

Formfehler im Amt können Familien in Probleme stürzen

Bei immer mehr Ehen kommt mindestens ein Beteiligter aus dem Ausland, fremdes Namensrecht ist zu berücksichtigen, nachträgliche Geburtsurkunden sind auszustellen – ohne fundierte juristische Kenntnisse ist das nicht zu bewältigen. Kaum auszumalen, wenn durch irgendeinen formalen Fehler schwerwiegende Probleme für Familien entstehen.

Wie genau die nötige Qualifikation aussehen muss, sollten die Kommunen, die Standesbeamten und das Innenministerium vertrauensvoll miteinander beraten. Sollten sich die jetzigen Anforderungen abspecken lassen, muss das aber auf korrektem Weg geschehen, nicht durch stillschweigendes Aushebeln von Vorschriften.

Aufsichtsbehörden haben weggesehen

In der Vergangenheit herrschte offenbar Wildwuchs: Viele Kommunen haben die geltenden Regeln einfach ignoriert und dafür Rückendeckung durch die Aufsichtsbehörden erhalten, die großzügig Ausnahmegenehmigungen erteilten.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) hat Recht, wenn sie das nicht länger hinnehmen will. Mit etwas Kompromissbereitschaft sollte sich eine Lösung finden lassen – damit gut qualifizierte Standesbeamte ihre wichtige Arbeit verrichten können.