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Tullner zieht die Zügel an Warum der Zugang zum Realschulabschluss erschwert werden soll

Bildungsministerium will als „Motivation“ den Zugang zum Realschulabschluss erschweren. Soll so der Lehrermangel gemildert werden?

Aktualisiert: 19.4.2021, 22:27
Bildungsminister Marco Tullner
Bildungsminister Marco Tullner dpa

Magdeburg - Das Landesbildungsministerium plant, die Zugangsvoraussetzungen für den Realschulabschluss zu verschärfen. Das Ministerium von Marco Tullner (CDU) begründet das als Motivationshilfe für leistungsschwächere Schüler. Bildungspolitiker und Schulleiter wittern dagegen einen Kniff, den Lehrermangel auf Kosten von Sekundarschülern zu mildern.

Bisher gilt laut Versetzungsordnung: Ein Schüler muss durchgehend mindestens Vieren und höchstens eine Fünf auf dem Abschlusszeugnis der Klasse sechs haben, damit er einen Realschulabschluss anpeilen kann, ansonsten folgt die Einstufung als Hauptschüler. Der neue Entwurf, den das Land jüngst in Schulleiterrunden vorstellte und der bereits ab Sommer gelten könnte, hebt diese Grenze nun um eine Note an. Wer nach der sechsten Klasse nicht als Hauptschüler eingestuft werden will, muss bis auf eine Vier in allen Fächern mindestens eine Drei haben.

Kritiker: Tullner drängt Sekundarschüler in Richtung Hauptschulabschluss

Kritiker fürchten, dass Tullner so deutlich mehr der gut 43.000 Sekundarschüler in Richtung Hauptschulabschluss drängt. „Nach bisheriger Ordnung würden bei uns dieses Jahr vier Hauptschüler entstehen, nach der neuen wären es 25“, rechnet ein Schulleiter vor. Er vermutet dahinter die Absicht, den Lehrerbedarf in Zeiten des Pädagogenmangels zu reduzieren. Da Hauptschüler schon nach Klasse neun abgingen, gäbe es eben weniger zu unterrichtende Zehntklässler.

So sieht es auch Thomas Lippmann, Bildungspolitiker der Linken im Landtag. Er wirft Tullner vor, den Schülern, die „ohne Grund in die Hauptschulgänge gezwungen“ würden, den Lebensweg „zu verbauen“. SPD-Bildungsexpertin Angela Kolb-Janssen wirft Tullner?vor, die „Zukunft des Landes“ aufs Spiel zu setzen. „Wir brauchen nicht mehr Hauptschüler, sondern mehr gut qualifizierte Realschüler“, sagt sie. Kolb-Janssen kritisiert, dass sie als Koalitionspartnerin vom Vorstoß des CDU-Ministeriums überrascht worden sei. Die SPD werde versuchen, das Vorhaben zu verhindern. Der Verband Bildung und Erziehung forderte eine Streichung der Änderung, weil so die soziale Ungleichheit an Sekundarschulen verschärft würde.

Ministeriumssprecher Stefan Thurmann wies die Kritik auf MZ-Nachfrage zurück. „Das ist noch kein finaler Entwurf, sondern ein Arbeitsstand, der jetzt in der Anhörung war“, relativiert er. Wann die neue Versetzungsordnung vorliegen wird, lässt Thurmann offen. Die Aussage Lippmanns, das Land würde Schülern den Weg zum besseren Abschluss verbauen, sei aber falsch. „Das System ist durchlässig. Es gibt auch Wiederaufstiegschancen“, sagt Thurmann.

Ministerium erhält Rückendeckung von AfD-Bildungspolitiker Tillschneider

Er verweist darauf, dass gegebenenfalls geeignete Schüler nach der siebten und achten Klasse den Realschulabschluss auf Antrag der Eltern doch noch anstreben könnten. Den Vorstoß zur Verschärfung nach Klasse sechs begründet er mit dann angeblich leichteren Erfolgserlebnissen für schwächere Schüler: „Wir frustrieren jetzt Kinder mit schlechten Noten, obwohl Möglichkeiten bestünden, sie in einen anderen Bildungsgang zu stecken.“ Im Hauptschulgang hätten sie eher die Chance auf gute Noten und somit einen Motivationsschub.

Rückendeckung erhält das Ministerium von AfD-Bildungspolitiker Hans-Thomas Tillschneider: „Wir begrüßen jeden Schritt, der die Leistungsmaßstäbe in den Schulen anhebt“, sagt der Landtagsabgeordnete. Grundsätzlich begrüßt auch Claudia Diepenbrock, Vorsitzende des Sekundarschullehrerverbandes, die Pläne - weil vielleicht wieder reine Hauptschulklassen gebildet werden könnten mit einer besseren Förderung. (mz/Robert Briest)