Urabstimmung Sachsen-Anhalts SPD macht Weg frei für Regierung mit CDU und FDP
Das Mitgliedervotum bei den Sozialdemokraten über eine schwarz-rot-gelbe Koalition galt als letzte ernstzunehmende Hürde. Jetzt ist die Entscheidung gefallen.

Magdeburg/MZ - Die SPD-Mitglieder in Sachsen-Anhalt haben den Koalitionsvertrag mit CDU und FDP gebilligt. Bei einer Urabstimmung votierten 63,4 Prozent der teilnehmenden Sozialdemokraten für die Beteiligung an der nächsten Landesregierung. Das gaben die SPD-Landesvorsitzenden Juliane Kleemann und Andreas Schmidt am Sonnabendmittag in Magdeburg bekannt.
Rund 3300 SPD-Mitglieder waren stimmberechtigt. Bei der Beteiligung meldete die Parteispitze einen Rekordwert: 60 Prozent schickten ihr Votum ab. Die Auszählung hatte am Sonnabendvormittag begonnen. Um das Ergebnis bis 12 Uhr geheimzuhalten, mussten die Mitglieder der Zählkommission und andere Anwesende ihre Mobiltelefone abgeben.
SPD-Landeschef Schmidt nannte das Abstimmungsergebnis ein „starkes Signal für stabile fünf Jahre“ in der Landespolitik. „Es ist gut, wenn wir Verantwortung übernehmen und nicht vor Verantwortung weglaufen.“ Für die Bekämpfung der Pandemie, die Finanzierung der Hochschulen und Krankenhäuser habe die SPD viel herausgeholt. „Bei der Bildung schalten wir den Dampf von der Sirene auf die Maschine um“, sagte Schmidt. Allerdings bleibt das Bildungsressort in der Hand der CDU.
Zu den prominenten Gegnern einer Koalition mit CDU und FDP gehört der frühere SPD-Landeschef Burkhard Lischka. Er hatte kritisiert, die SPD habe sich in den Verhandlungen unter Wert verkauft. Auch die Parteijugend, die Jusos, warben für ein Nein. Sie sehen in CDU und FDP „neoliberale“ Parteien, gegen die soziale Politik kaum durchsetzbar sein werde.
Eine Urabstimmung bei der CDU läuft noch bis Dienstag. Das Ergebnis will Parteichef Sven Schulze allerdings erst am Freitag um 14 Uhr offiziell bekanntgeben. Bei drei Regionalkonferenzen, in denen die CDU-Basis die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen diskutierten, gab es allerdings keine schwerwiegenden Einwände. Die Zustimmung der Mitglieder zu einer Regierung unter Führung der CDU und Ministerpräsident Reiner Haseloff gilt als sicher.
Beim kleinsten potenziellen Koalitionspartner, der FDP, entscheidet ein Parteitag über die Regierungsbeteiligung. Am Freitagabend kommen die Delegierten in Magdeburg zusammen. Auch hier rechnet die Parteispitze mit einer deutlichen Mehrheit.
Kommt die sogenannte Deutschland-Koalition für Sachsen-Anhalt zustande, soll die SPD zwei Ministerien übernehmen. Dabei gelten die beiden jetzigen SPD-Minister Petra Grimm-Benne und Armin Willingmann als gesetzt. Während jedoch Grimm-Benne weiterhin das Ressort für Arbeit und Soziales führen soll, müsste Willingmann in ein neu zu schaffendes Ministerium für Wissenschaft und Umwelt wechseln. Die Verantwortung für die Wirtschaft will die CDU übernehmen, als Minister steht CDU-Landeschef Sven Schulze bereit.
Willingmann sagte der MZ, der Verlust des Wirtschaftsressorts sei „schmerzhaft“, allerdings habe die SPD mit ihrem Wahlergebnis von 8,4 Prozent nicht mehr herausholen können. Gleichwohl könne die Partei im künftigen Wissenschafts- und Umweltressort ein zentrales Zukunftsthema gestalten. „Ich will, dass wir im Land stärker zum Thema Klima forschen“, sagte Willingmann. Dafür sei im Koalitionsvertrag auch mehr Geld verabredet.
Sozialministerin Grimm-Benne lobte die Entscheidung der Basis. Zwar habe die SPD die vollständig kostenfreie Kinderbetreuung nicht durchsetzen können, sie werde aber in anderen Bereichen der Sozialpolitik viele Ziele aus dem eigenen Wahlprogramm gestalten. Formal wird der SPD-Landesvorstand die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder erst später benennen.
Ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP ist im wiedervereinigten Deutschland ein Novum. In Bremen und im Saarland hatten die drei Parteien bis 1959 zusammen regiert. Eine Neuauflage in Sachsen-Anhalt könnte ein Modell auch für die nächste Bundesregierung sein. FDP-Chef Christian Lindner zieht das Modell einer Ampelkoalition mit SPD und Grünen vor. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte sich bereits frühzeitig wohlwollend ausgesprochen.
Grünen-Landeschef Sebastian Striegel nannte das sich abzeichnende Bündnis eine „Reserveradkoalition“, die selbst von einem Drittel der Sozialdemokraten abgelehnt werde. Ohne Grüne in der Regierung gebe es keinen verbindlichen Klimaschutz.