Hohe Energiepreise Sachsen-Anhalts IG-Metall-Chef Gröger: Benötigen einen Preisdeckel beim Gas
„Die Firmen, vor allem aber auch die Familien, können nicht jeden Preis bezahlen“, sagt Gewerkschaftsboss Thorsten Gröger im MZ-Interview. Der Staat soll eingreifen. Über höhere Tarif-Löhne soll die Kaufkraft gestärkt werden.

Halle/MZ - Die IG Metall fordert wegen der hohen Inflation bis zu acht Prozent mehr Lohn. Doch können die Unternehmen in Sachsen-Anhalt solche Gehaltserhöhungen stemmen? Nach Angaben von Thorsten Gröger, IG-Metall-Bezirksleiter in Sachsen-Anhalt, sind die Auftragsbücher der meisten Firmen voll. Die Lohnerhöhung sei zum Erhalt der Kaufkraft wichtig, sagt Gröger im Gespräch mit MZ-Redakteur Steffen Höhne
Herr Gröger, Sie sprechen selbst von einer differenzierten Lage in der Metall- und Elektroindustrie in Sachsen-Anhalt. Dennoch will die Gewerkschaft bis zu acht Prozent mehr Lohn. Wie sollen die Firmen das stemmen?
Thorsten Gröger: Die Metall- und Elektroindustrie ist vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen, und auch jetzt sind die Auftragsbücher bei den meisten Firmen voll. Ja, das liegt nicht nur an einer guten Konjunktur, auch Lieferprobleme führen dazu, dass Aufträge nur verzögert abgearbeitet werden können. Dennoch geht es den Firmen wirtschaftlich gut. Die stark gestiegenen Erzeugerpreise sind auch ein Beleg dafür, dass es vielen Unternehmen gelingt, die höheren Energie- und Rohstoffkosten an die Verbraucher weiterzureichen. In dieser Phase erwarten wir von den Arbeitgebern, dass sie ihre Beschäftigten dabei unterstützen, mit den stark steigenden Preisen zurechtzukommen.
Viele Autozulieferer hatten wegen Auftragsverschiebungen zuletzt Kurzarbeit angemeldet. Haben Sie nicht Sorge, dass jetzt doch einige Unternehmen umkippen?
Nein, die Kurzarbeit ist genau dafür da, solche Auftragsverschiebungen zu überbrücken. Die Firmen wurden massiv entlastet. Sorge bereitet mir eher, dass wegen der hohen Preise jetzt viele Verbraucher anfangen zu sparen. Dann werden weniger Produkte verkauft, die Unternehmen haben weniger Aufträge. Höhere Löhne sind daher zur Stabilisierung der Wirtschaft notwendig und stärken die Kaufkraft.
Im Metall-Arbeitgeberverband in Sachsen-Anhalt sind nur noch etwa 50 Firmen mit etwa 10.000 Beschäftigten. Was haben die Firmen davon, weiter im Verband zu bleiben, außer steigenden Löhnen?
Gut, dass es inzwischen wieder 50 Firmen sind, und gegen den Bundestrend werden es mehr. Natürlich gibt es harte Lohnverhandlungen, doch danach haben die Firmen auch verlässliche Rahmenbedingungen und eine Beruhigung im Betrieb. Was noch wichtiger ist: Im Jahr 2020 hat die Industrie- und Handelskammer gesagt, der Fachkräftemangel ist die größte Bremse für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Gute, tarifliche Arbeitsbedingungen sind im Wettbewerb um die Fachkräfte ein wichtiges Argument. Die Zahl unserer Mitglieder in den Betrieben steigt. Tariflöhne gehören dazu, um ein Unternehmen zukunftsfähig zu machen.
Die Energiepreise sind ein anderes Thema, was die Branche stark beschäftigt. Gas ist sehr teuer, nun könnte es knapp werden. Wie stark trifft das die Firmen in Sachsen-Anhalt?
Der Bedarf an fossiler Energie ist sehr unterschiedlich. Eine Gießerei würde eine Gasknappheit extrem hart treffen, im Maschinenbau oder bei normalen Autozulieferern wären die Auswirkungen nicht so stark wie beispielsweise in der chemischen Industrie. Sollte Russland den Gashahn komplett zudrehen, dann droht auch, dass die Firmen in der Metall- und Elektroindustrie die Produktion runterfahren müssten.

Ihre Branche gilt nicht als systemrelevant. Würden in den Metallbetrieben als erstes die Lichter ausgehen, wenn der Staat das Gas rationiert?
Es muss genau geschaut werden, was systemrelevant ist. Die Metall- und Elektroindustrie produziert Millionen von Einzelteilen, die für systemrelevante Unternehmen aus der Kraftwerksbranche, dem Verkehr oder dem Gesundheitswesen wichtig sind. Der Staat muss die gesamte Lieferkette im Blick haben. Wir haben eine sehr vernetzte Wirtschaft, und in dieser spielt die Metall- und Elektroindustrie eine wichtige Rolle.
Was sollte die Politik ihrer Meinung jetzt machen?
Wir müssen zwei Dinge unterscheiden: Es gibt zum einen die Preisseite. Da, wo die Kräfte des Marktes in einer solchen Situation nicht funktionieren, muss regulierend eingegriffen werden. Wir fordern einen Gaspreisdeckel. Die Firmen, vor allem aber auch die Familien, können nicht jeden Preis bezahlen. Bei der Frage der Menge muss genau geschaut werden, wie bei einer Gasverknappung die Wirtschaft bestmöglich bestehen kann. Vor allem benötigen wir einen Turbo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Viele Unternehmen wollen ihren Energiebezug umstellen, doch die langen Planungsverfahren verzögern das.
Viele Autozulieferer in Sachsen-Anhalt müssen jetzt ihre Produktion auch auf Elektro-Mobilität umstellen. Wie gut kommen sie voran?
Das ist sehr unterschiedlich. Viele Unternehmen strukturieren sich um, das wurde bereits vor Jahren eingeleitet. Nicht wenigen mittelständischen Unternehmen fällt das aber schwer, weil sie so sehr mit dem Tagesgeschäft beschäftigt sind, dass die Kapazitäten fehlen. Hier könnte das Land nicht nur finanziell, sondern auch durch Beratung helfen. Ich bin optimistisch, dass das funktioniert. Kleinere Firmen sind oft flexibler und können sich schneller auf neue Situationen einstellen.