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Körperkameras Polizisten mit Bodycams: Test jetzt auch in Sachsen-Anhalt

Von Jan Schumann 03.09.2017, 20:00
Ein Polizist mit einer der neuen Bodycams.
Ein Polizist mit einer der neuen Bodycams. NetCo Professional Services GmbH

Magdeburg - Immer mehr Kameras im öffentlichen Raum sollen in Sachsen-Anhalt für Sicherheit sorgen. Landes-Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) stellte am Montag die sogenannten Bodycams -  also Körperkameras - vor, die Streifenpolizisten   effektiver vor Übergriffen schützen sollen.

Es handelt sich um ein zweijähriges Pilotprojekt, das es in ähnlicher Weise auch in anderen Bundesländern gibt: Ab sofort tragen 50 Beamte in Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau die Bodycams im Einsatz. In Hessen wurden sie nach Tests bereits ins reguläre Repertoire aufgenommen. „Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass das ein Erfolg wird“, so Stahlknecht.

Bodycams sind so groß wie ein Smartphone und filmen aus der Polizisten-Perspektive. Sie können angeschaltet werden, sobald eine Bedrohungssituation entsteht. Per Zwischenspeicher sind sie in der Lage,  auf Bilder  zurückzugreifen, die 120 Sekunden vor Aufnahmestart eingefangen wurden. Das „Pre-Recording“ ist für Fälle gedacht, in denen plötzliche Bedrohungen entstehen.  Gespeicherte  Aufnahmen werden in den Revieren nach drei Monaten automatisch gelöscht, so das Ministerium. Polizisten mit Kameras werden mit einer speziellen Marken kenntlich gemacht.

Abschrecken soll zudem ein Display an den Geräten, in dem sich  Angreifer bei laufender Kamera selbst sehen - dies soll   deeskalieren. Läuft die Kamera, leuchtet ein rotes LED-Licht. Erfolgsquoten, die erreicht werden müssen, gibt das Ressort nicht vor. Zumal der Einsatz der Kameras Grenzen hat: Sie  dürfen  nur im öffentlichen Raum genutzt werden, bei Einsätzen in Privaträumen sind sie tabu. 40.000 Euro kostet das Projekt. Produziert werden die Kameras in der sachsen-anhaltischen Firma Netco aus Blankenburg (Harz).

Hintergrund sind vermehrte Übergriffe auf Polizisten: 301 Beamte wurden 2016 im Dienst verletzt. Im Jahr zuvor waren es 247. Nach Zahlen des Innenministeriums erfolgte ein Drittel der Angriffe im Streifendienst. In  49 Fällen, etwa ein Sechstel, wurden Polizisten während Anhalte- und Kontrollsituationen verletzt.

Damit gehen Sachsen-Anhalts  Polizei und die Deutsche Bahn nun ähnliche Wege. Weil Bahn-Mitarbeiter  ebenfalls vermehrt  Opfer von Gewalt wurden, soll das Sicherheitspersonal ab September mit Kameras ausgerüstet werden, um mögliches Beweismaterial zu sichern. Ein Sprecher sagte der MZ,  geplant sei der Bodycam-Einsatz  in Mitteldeutschland an den „Brennpunkten“ wie etwa Halle, Leipzig, Erfurt und Dresden. „Der Einsatz wird dosiert sein“, so der Konzern - etwa während Fußball-Spieltagen und Volksfesten. Bundesweit registrierte die Bahn im Jahr 2016 rund 2 300 Angriffe auf Mitarbeiter, ein Drittel mehr als 2015.

Grundsätzlich skeptisch bleibt Sachsen-Anhalts Datenschutzbeauftragter Harald von Bose. „Die Kameras der Polizei erfassen weiterhin sehr einfach unbeteiligte Dritte“, kritisierte er. „Zudem ist unklar, wie man Bürgern auf der Straße begreifbar macht, dass die laufenden Geräte auch Ton aufnehmen. Darüber wird leider kaum diskutiert.“ Aktuelle Studien würden nicht eindeutig belegen, dass die Geräte deeskalierend wirken. „Manche Studien zeigen das Gegenteil“, sagte von Bose der MZ. Außerdem könne die neue Technik negative Effekte auf das Versammlungsrecht haben - wenn nämlich Demonstranten Angst hätten, als unbeteiligte auf Videoband zu landen. (mz)