Sicherheit Mehr Polizistinnen in Sachsen-Anhalt: Anteil der Frauen stark gestiegen
Früher selten, heute Alltag: Die Landesbehörde ist keine Männerdomäne mehr, ein Drittel des Personals sind Frauen. Wieso Experten über den Trend froh sind.

Halle (Saale)/MZ - Die Einstellungswellen vergangener Jahre haben den Frauenanteil in Sachsen-Anhalts Polizei deutlich erhöht. Fast ein Drittel des Personals ist mittlerweile weiblich: Der Frauenanteil unter den 6.400 Beamten liegt laut Landesinnenministerium aktuell bei 30 Prozent. Zum Vergleich: Noch 2010 lag er bei 17 Prozent, war also halb so groß.
Polizei Sachsen-Anhalt: Frauenanteil stark gestiegen
Experten in den Sicherheitsbehörden begrüßen den Trend. „Es freut mich, dass die Landespolizei weiblicher wird“, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) der MZ. „Von starren Quoten halte ich wenig, aber sehr viel von gemischten Teams.“
Einen Schub erhielt die Zahl der Beamtinnen ab 2017: Seither stellt Sachsen-Anhalt massiv Personal ein, bis 2026 sollen insgesamt 7.000 Polizisten auf den Straßen unterwegs sein.
Polizistinnen können stärker deeskalieren
Dass sich die Strukturen in der Polizei spürbar wandeln, sehen Praktiker als Vorteil. „Als ich 1990 zur Schutzpolizei gekommen bin, hatten wir nur eine Frau in der Schicht“, betonte Uwe Bachmann, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei.
„Der höhere Frauenanteil wirkt positiv auf das interne Klima, das früher sehr männerdominiert war.“ Auch Amtskollege Olaf Sendel von der Deutschen Polizeigewerkschaft sieht Veränderungen in der früheren Männerdomäne: Die Polizei werde durch die neuen Beamtinnen „verständnisvoller, empathischer, sensibler“.
Auf Streife können Frauen teils ganz anders deeskalieren.
Uwe Bachmann, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei
Gewerkschaftschef Bachmann sieht insbesondere einsatztaktische Vorteile. „Auf Streife können Frauen teilweise ganz anders deeskalieren als männliche Kollegen.“ Das gelte etwa dann, wenn gemischte Polizeiteams für Autokontrollen eingesetzt würden, oder bei Alarmierungen wegen häuslicher Gewalt: In solchen Fällen kommt es aufgrund der aufgeheizten Stimmung oft zu Übergriffen auf Polizisten.
„Von Frau zu Frau können Beamtinnen aber ganz anders in solchen Situationen deeskalieren“, schildert Bachmann seine Erfahrung. „Zudem gibt es Männer, die davon abrücken, weibliche Polizisten anzugreifen.“ Er betont: „Wir sehen im Polizeialltag, dass gemischte Streifen Vorteile bringen.“
Studie widerlegt Vorurteile über Frauen bei der Polizei
Studien belegen diesen Effekt schon lange, etwa in Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. „Für Einsätze bei häuslicher Gewalt zeigt sich, dass ein weiblicher Beamter das Risiko eines Zweier-Teams, verletzt zu werden, reduziert“, hieß es in einer Studie von 2012, für die Polizisten aus zehn Ländern befragt wurden, auch aus Sachsen-Anhalt.
Die Forscher attestierten damals: „Möglicherweise vertreten derzeit manche männliche Polizeibeamte noch die Ansicht, dass Frauen für den Polizeidienst nicht oder nur eingeschränkt geeignet wären. Diesem Vorurteil kann mit den Ergebnissen der Befragung entgegen getreten werden.“
Kriterien für Bewerberinnen bei der Polizei
Zwar seien Polizistinnen in der Regel nicht so kräftig gebaut wie männliche Kollegen, räumte Bachmann ein – das sei vor allem in der Bereitschaftspolizei relevant, die Großeinsätze wie Demos und Fußballspiele begleite. Ein Praxisproblem sei das aber nicht.
„Man muss eben ein Auge drauf haben, dass dort, wo ein stärkerer Körperbau gefragt ist, Frauen nicht an vorderste Front gestellt werden, sondern in den rückwärtigen Raum.“ Und Sendel betonte: „Es gelten dieselben Fitnessstandards und Mindestgrößen für alle, jede und jeder ist voll einsetzbar.“ Wer sich bei der Landespolizei bewirbt, muss mindestens 1,60 Meter groß sein – diese Hürde wurde 2012 um drei Zentimeter gesenkt.
Eine 50-50-Geschlechterquote rufen weder Ministerin Zieschang noch Gewerkschafter als Ziel aus. Allerdings: Herausragende Polizistinnen würden gezielt motiviert, sich für Führungspositionen zu qualifizieren, so das Innenministerium.