Dem Land eng verbunden Pensionierter Polizist aus Magdeburg will Kollegen aus Afghanistan helfen

Magdeburg/dpa - Gerald Stöter aus Magdeburg hat drei Jahre in Afghanistan gearbeitet und dort die Polizei aufgebaut. Heute versucht er, ehemaligen Kollegen zu helfen, das Land zu verlassen.
Drei Jahre seines Lebens hat Gerald Stöter in Afghanistan verbracht. 2006 bis 2007 leitete der heute pensionierte Polizist und Ministerialrat gemeinsam mit einem Kollegen vom Bundeskriminalamt den Aufbau des deutschen Polizeiprojekts. Sie waren verantwortlich für Ausbildung, Ausstattung und Bauten. 2013 bis 2014 stand er an der Spitze des International Police Coordination Boards (IPCB) und war direkt dem afghanischen Innenminister unterstellt. „Dort bemühte sich die internationale Gemeinschaft, den Aufbau einer Polizei zu koordinieren, die selbstständig handeln und allein für sich sorgen kann“, erklärt Stöter.
Dem Land am Hindukusch ist er eng verbunden, kennt es gut. Als Referent bemüht er sich, sein Wissen über Afghanistan hierzulande weiterzugeben. Für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit war er in der Entwicklungshilfe tätig. In einer Stapelbox bewahrt Stöter Erinnerungen an Afghanistan auf: eine Fahne, Edelsteine, auch eine Burka. Utensilien, die er mitnimmt zu seinen Vorträgen. Die jetzigen Entwicklungen in dem Land bewegen ihn emotional.
Es ist nicht erstaunlich, dass jetzt viele die Fahne wechseln
Dass sich die Situation in dem zentralasiatischen Land so entwickelt hat, wundert Stöter nicht. Enttäuscht ist er allerdings schon. „Es wundert mich nicht, weil es bei den afghanischen Kräften nie eine Loyalität gegenüber ihrem Staat gegeben hat. Das liegt daran, dass Afghanistan nie ein Zentralstaat war, sondern von Clans, Stämmen und Ethnien regiert wurde. Enttäuscht bin ich, weil die internationale Gemeinschaft viel in Personal und Ausstattung investiert hat. Das alles war aber sehr fragil. Die Bezahlung war sehr schlecht, es ging den Kräften dort immer um das pure Überleben. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass sie jetzt die Fahne wechseln.“
Stöter verfolgt die Nachrichten aus Afghanistan aufmerksam. Er denkt an die Menschen, die er während seiner Arbeit kennengelernt hat. „Ich habe die vor Augen, die 2006 da waren. Generäle, bei denen ich zum Essen eingeladen war, deren Familien ich kennengelernt habe.“ Die meisten von ihnen kamen aus einfachen Verhältnissen. Stöter schätzt sie so ein, dass sie anfällig sind, die Seiten zu wechseln. Ganz anders die Eliten, mit denen er bei seinem zweiten Einsatz zusammenarbeitete. „Das waren gebildete Leute, wir brauchten keine Dolmetscher, alles lief auf Englisch. Der Minister war charismatisch. Genau um diese Menschen sorge ich mich, denn sie dürften kaum Partner für die Taliban sein.“
Stöter: Habe alles Menschenmögliche getan, um zu helfen
Immer wieder wird der Magdeburger kontaktiert. Von Polizeikollegen, die ebenfalls in Afghanistan waren und Hilfe für ehemalige Kollegen suchen. Von seinen einstigen Mitarbeitern, die verzweifelt versuchen, das Land zu verlassen. Sein Stellvertreter während seiner letzten Tätigkeit, ein studierter Mediziner und Politologe, habe ihn angefleht, ihn und seine Familie aus Afghanistan herauszuholen. „Er hat Angst um sich und seine Familie, weil er an exponierter Stelle gearbeitet hat“, verrät Stöter. „Auch wenn die Taliban eine Amnestie angekündigt haben, ist da kein Vertrauen.“
Er habe alles Menschenmögliche getan, um seinem einstigen Stellvertreter die Ausreise zu ermöglichen. Allerdings gebe es formale Probleme. „Mein Vertreter war beim Innenministerium angestellt, er hat also keine Verträge mit der EU oder Deutschland“, bedauert Stöter. Bis auf die Vermittlung von Kontakten in Deutschland, die der Afghane auch alle angeschrieben hat, konnte er vorerst nichts tun. „Dass das genügt, um in Kabul bis in die Abflughalle zu kommen, bezweifle ich leider.“