Feuerwehr-Experte: Land hatte großes Glück Notrufausfall wegen Telekom-Störung: Innenministerin kündigt Aufarbeitung an

Magdeburg/MZ - Eine Störung beim Telefonanbieter Telekom hat am Donnerstag Feuerwehren, Polizeien und Rettungsdienste in weiten Teilen Deutschlands vom Notrufsystem abgeschnitten. In Sachsen-Anhalt - aber auch in Ländern wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Berlin - waren die Notrufnummern 110 und 112 am frühen Morgen rund eine Stunde lang nicht erreichbar.
Feuerwehr-Vertreter zeigten sich bestürzt von dem flächendeckenden Systemdefekt. „Man darf sich keine Illusionen machen“, warnte Kai-Uwe Lohse, Chef des Landesfeuerwehrverbands, gegenüber der MZ. „Wenn so ein Ausfall acht Stunden dauert, brennen irgendwann Sachen ab und Sparkassen werden leergeräumt.“
Landesweit war der Notruf 4.50 Uhr ausgefallen. Die Stadt Halle verschickte eine Warnung über die Katastrophenschutz-App Katwarn und schaltete alternative Behördennummern für Notrufe frei. In vielen Teilen des Landes schwärmten Feuerwehrmänner in lokale Gerätehäuser aus, um schlimmstenfalls persönlich Notfallmeldungen entgegen zu nehmen. Laut Innenministerium hielt der Defekt bis 6.22 Uhr an.
„In dieser Größenordnung zwanzig Jahre nicht erlebt“
„Es gab in der Vergangenheit schon lokale Ausfälle, vor allem wenn ein Bagger die Leitung traf“, so Lohse. „Aber in dieser Größenordnung habe ich das in den letzten zwanzig Jahren nicht erlebt.“ Die Besetzung der Gerätehäuser sei lediglich die letzte Notlösung. „Im ländlichen Raum sind viele Leute in Notfällen schlicht auf das Telefon angewiesen.“ Zudem sei es in der Praxis kaum möglich, der Bevölkerung schnell neugeschaltete Behördennummern zu vermitteln, so der Feuerwehr-Chef.
Laut Telekom geht der Systemausfall nicht auf einen Hackerangriff zurück. Das schloss das Bonner Unternehmen schon am Mittag aus. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sah keine Hinweise auf eine Cyberattacke. Stattdessen liege die Ursache des Defekts vermutlich in einem Software-Update, so die Telekom. Der Fehler sei bei Routine-Wartungsarbeiten um 4.30 Uhr aufgetreten. „Die detaillierte Analyse dauert an“, erklärte das Telefonunternehmen.
Innenministerin Zieschang kündigt Aufarbeitung an
Angesichts des Ausfalls lobte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) die Landespolizei für ihre schnelle Reaktion. Die Polizei habe die Bevölkerung zügig über den Ausfall die und Wiederherstellung der Systeme informiert. „Obwohl der Fehler nach bisherigen Erkenntnissen nicht in unseren Systemen lag, nehmen wir die Störung sehr ernst und werden sie im Nachhinein intensiv aufarbeiten“, kündigte Zieschang an.
Sicherheitsprobleme seien durch den Defekt nicht entstanden, erklärte die CDU-Politikerin. Zum Zeitpunkt des Notrufausfalls schliefen zahlreiche Sachsen-Anhalter, auf den Straßen herrschte kaum Berufsverkehr. Zu späteren Tageszeiten sieht es anders aus: Allein die Inspektion Halle erhält jährlich 60.000 Notrufe, dass sind rechnerisch gut 160 am Tag.
Sorgen macht Experten, dass es für diese Art des Ausfalls kein Sicherheitsnetz gab. „Das ist für mich beängstigend“, sagte Feuerwehr-Chef Lohse. „Eigentlich muss es da genug Backups geben.“ Sachsen-Anhalts früherer Innenstaatssekretär und Innenpolitiker Rüdiger Erben (SPD) sagte: „Das ist der Preis für ein modernes Notrufsystem, das digitalisiert ist.“ Es sei für ihn absolut plausibel, dass es in solchen Netzwerken zu Problemen mit der Software kommen könne. „Da muss es aber Rückfallsysteme geben“, betonte er. „In einem so hoch technisierten Land muss man das hinbekommen.“ Der Zwischenfall müsse nun Anlass für Verbesserungen sein, forderte der Innenpolitiker.