Nach gescheitertem Volksbegehren Nach gescheitertem Volksbegehren: Sachsen-Anhalts Regierung will "Schulfrieden"
Halle (Saale) - Acht Monate vor der nächsten Landtagswahl möchte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit Verbänden und der Opposition über ein langfristiges Konzept für Sachsen-Anhalts Schulen reden. Zusammen mit Bildungsminister Marco Tullner (CDU) lud er am Donnerstag zu Gesprächen über einen „Schulfrieden“ ein. Als Moderatorin steht die frühere Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) bereit.
Haseloff reagiert damit auf das gescheiterte Volksbegehren, das durch eine feste Betreuungsquote in Schulen mehr Lehrer in die Klassenzimmer bringen wollte. Am Mittwoch hatten die Initiatoren 77.000 Unterschriften übergeben. Damit ist zwar das Quorum aus dem Volksabstimmungsgesetz verfehlt. Dieses Engagement solle aber „nicht umsonst gewesen sein“, sagte Haseloff.
Alle sollen mitreden dürfen
Organisiert haben das Volksbegehren die Landesvertretungen von Schülern und Eltern, die Lehrergewerkschaft GEW, Bildungs- und Wirtschaftsverbände sowie die Linkspartei. Sie alle sollen nun Einladungen zum Dialog bekommen. Das Gleiche gilt für die im Landtag vertretenen Parteien - damit ist auch die AfD gemeint.
Deren bildungspolitischer Sprecher im Landtag ist Hans-Thomas Tillschneider, vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft. Auf die Frage, ob die Einladung auch für Tillschneider gelte, sagte Haseloff: „Wenn wir alle Parteien einladen, ist das ein grundsätzliches demokratisches Prinzip.“ Wahrscheinlich werde es aber auch Vorschläge geben, die nicht konsensfähig seien.
Als Beispiele für zu besprechende Themen nannte Bildungsminister Tullner neben der Einstellung von Lehrern die Digitalisierung, Besoldungsfragen, aber auch Investitionen in die Schulinfrastruktur. Ziel sei es, noch im Winter einen Konsens zu finden, der auch von der nächsten Landesregierung nicht aufgekündigt wird - egal, wer dann regiert. Man wolle die Schulpolitik „weitestgehend aus dem Wahlkampf heraushalten“, sagte Tullner.
SPD rügte Bezeichnung „Schulfrieden“
Ob das gelingt, ist fraglich. Die Linkspartei etwa will Bildung zu einem Schwerpunkt ihrer Kampagne machen. Gesprächen verweigern wollte sich am Freitag niemand. „Natürlich nehmen wir das Angebot an. Wir sehen durchaus Kompromissmöglichkeiten“, sagte Thomas Jaeger vom Landeselternrat. Jeder zusätzliche Lehrer, der in die Klasse geholt werde, sei ein Gewinn.
Aus der Landespolitik kamen deutlich skeptischere Reaktionen. Die SPD rügte die Formulierung „Schulfrieden“ als irreführend. Es tobe keineswegs ein Streit um Schulformen oder Standorte, sagte die Bildungspolitikerin Angela Kolb-Janssen. Das Problem seien fehlende Lehrkräfte. Linken-Fraktionschef Thomas Lippmann sagte, überparteiliche Gespräche hätten zu Beginn der Legislaturperiode eine Geste sein können, nicht aber jetzt. „Wir lehnen die Einladung nicht ab, gehen aber mit geringen Erwartungen hin.“
Bekenntnis zu Schulformen
Widerstand gibt es gegen eine Beteiligung des AfD-Politikers Tillschneider. Die SPD lehnt die Mitsprache der AfD grundsätzlich ab. Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann kritisierte, Tillschneider vertrete ein Schulsystem „aus dem letzten Jahrhundert“. Der AfD-Politiker selbst kündigte an, er werde sich Gesprächen nicht verschließen. Seine Vorschläge: Besinnung auf tradiertes Wissen, Zurückdrängung von Inklusion, Stärkung des Leistungsgedankens, Fleiß und Disziplin. „All das, was aktuell zu kurz kommt“, sagte Tillschneider.
Zu den Grundlagen der Gespräche zählte Haseloff die Akzeptanz des derzeitigen Systems verschiedener Schulformen. „Wir sind der Meinung: Das hat sich bewährt“, sagte er. Damit stellt sich erstmals ein hochrangiger CDU-Politiker hinter die von der SPD durchgesetzte Gemeinschaftsschule. In dieser Schulform lernen Schüler bis zur achten Klasse gemeinsam. (mz)