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Misstrauen ausgesprochen Misstrauen ausgesprochen: AfD-Fraktionsvorsitzender André Poggenburg vor Abwahl

Von Jan Schumann und Hagen Eichler 07.03.2018, 20:12
André Poggenburg, Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, auf dem politischen Aschermittwoch der sächsischen AfD in Nentmannsdorf.
André Poggenburg, Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, auf dem politischen Aschermittwoch der sächsischen AfD in Nentmannsdorf. dpa

Magdeburg - Am Mittwochmorgen war noch einmal vieles wie immer, wenn André Poggenburg im Landtag auftritt. Im schicken Anzug setzte er sein jungenhaftes Lachen auf und listete vor Journalisten die wichtigsten Themen seiner AfD-Fraktion vor der Parlamentssitzung auf: Straßenausbaubeiträge, Dieselverbote, „Genderwahn“.

Und dann äußerte er noch etwas Skepsis darüber, dass einige seiner Parteifreunde gerade in Syrien einen Großmufti trafen, der Europa mit Terror drohte. Doch Poggenburg wählte seine Worte mit Bedacht. Eine Grundsatzkritik? Nein nein, so war das nicht gemeint, beteuerte er. Wägt da einer seine Worte gerade genau ab? Vielleicht wegen massiver innerparteilicher Befindlichkeiten?

17 von 22 Abgeordneten entsagten Poggenburg die Gefolgschaft

Offenbar ja: Der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung berichtete am Abend, Poggenburg stehe unmittelbar vor der Entmachtung. Die Fraktion soll ihm in der vergangenen Woche das Misstrauen ausgesprochen haben.

Nach MZ-Informationen entsagten 17 von 22 Abgeordneten ihrem Chef die Gefolgschaft. Sollte er nicht von selbst zurücktreten, werde er kommende Woche seines Amtes als Fraktionsvorsitzender enthoben, heißt es aus der Fraktion. Auch der Rücktritt als Landes-Parteichef sei gefordert worden. Im Mai steht die Wahl des Landesvorstands an.

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat Poggenburgs rassistische Rede beim Politischen Aschermittwoch der AfD im ostsächsischen Nentmannsdorf. Dort attackierte Poggenburg die Türkische Gemeinde in Deutschland - der Verband hatte die Gründung eines Heimatministeriums kritisiert.

„Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch, für den sie bis heute keine Verantwortung übernehmen“, rief Poggenburg unter dem Jubel von rund 1.000 AfD-Anhängern. Weiter sagte er: „Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören: weit, weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben die nichts zu suchen und nichts zu melden.“ Die Zuhörer skandierten: „Abschieben! Abschieben!“.

Poggenburg hat seiner Lebensgefährtin Lisa Lehmann eine Azubi-Stelle in der Fraktion besorgt

Die Kritik entzündete sich zum einen an Poggenburgs Wortwahl, zum anderen am rassistischen Gehalt der Rede. Viele Türkeistämmige in Deutschland haben den deutschen Pass – wer diese Menschen auffordert, „hinter den Bosporus“ zu verschwinden, unterscheidet Menschen nach der Abstammung.

Als Reaktion auf die heftige Kritik ruderte Poggenburg zurück, wollte die Rede als Satire gemeint haben. „In einer Aschermittwochsrede wird zugespitzte Politsatire betrieben, anders ist auch meine Rede nicht zu verstehen.“

In der AfD-Fraktion sorgte indes noch eine andere Poggenburg-Entscheidung für Wut und Ärger: Als Chef hat er seiner Lebensgefährtin Lisa Lehmann eine Azubi-Stelle in der Fraktion besorgt. Beide Themen kamen nun zusammen. Ein Abgeordneter hatte der MZ vergangene Woche erklärt: „Der Kanal ist voll.“ Die Grünen-Landesvorsitzende Susan Sziborra-Seidlitz kommentierte am Mittwochabend süffisant: „Jetzt wird es den Rechten zu bunt - äh, braun.“ Poggenburg selbst war am Mittwochabend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. (mz)