Mehr Schulabgänger scheitern Mehr Schulabgänger scheitern: Jeder neunte bleibt in Sachsen-Anhalt ohne Abschluss

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts Schulen schicken massenhaft Jugendliche ohne Abschluss hinaus ins Leben. Das berichtet die Mitteldeutsche Zeitung in ihrer Donnerstag-Ausgabe. In diesem Jahr waren es 2.000 Schüler, die nicht einmal den Hauptschulabschluss erreichten.
Der Anteil der Gescheiterten kletterte auf 11,4 Prozent, das ist jeder neunte Abgänger. Bundesweit sind es fast sechs Prozent. Von einem „Rückschlag“ spricht das Bildungsministerium.
Schulversagerquote in Sachsen-Anhalt seit Jahren besonders hoch
Für Reaktionen sei es aber noch zu früh, sagte Sprecher Stefan Thurmann: „Wir kennen bislang nur diese Zahl. Bevor wir über Gegenmaßnahmen entscheiden können, brauchen wir eine tiefergehende Analyse.“ Seit Jahren ist die Schulversagerquote hierzulande besonders hoch. Bundesweit lag sie zuletzt bei knapp sechs Prozent. Bei einem „Bildungsgipfel“ vor zehn Jahren hatten sich der Bund und die Länder vorgenommen, sie auf maximal vier Prozent zu drücken. In Sachsen-Anhalt rückt dieses Ziel derzeit jedoch in immer weitere Ferne.
Laut Zahlen des Statistischen Landesamtes sind 88 Prozent der Abgänger ohne Abschluss Deutsche, die übrigen Ausländer. In der letzteren Gruppe ist der Anteil erfolgloser Schüler mit 42 Prozent besonders groß.
Bildungsministerium will Schul-Misserfolg auf zwei Weisen bekämpfen
Das Bildungsministerium setzt beim Kampf gegen Schul-Misserfolg seit Jahren vor allem auf zwei Instrumente: den Einsatz von Schulsozialarbeitern und das Angebot „Produktives Lernen“. Bei diesem lernen gefährdete Schüler an zwei von fünf Schultagen in einem Betrieb. Durch Einblicke in die Berufspraxis und die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz soll ihre Motivation steigen. 23 Schulen im Land dürfen „Produktives Lernen“ anbieten, 610 Schüler sind dabei. Zusätzlich wurde jetzt auch die Gemeinschaftsschule Kastanienallee in Halle-Neustadt in das Programm aufgenommen. Diese hat besonders viele Migrantenkinder und Schulabbrecher. Im Sommer hatten die Lehrer in einem offenen Brief beklagt, sie fühlten sich von der Politik alleingelassen.
Der zweite Baustein, der Einsatz von derzeit rund 400 Schulsozialarbeitern, ist noch bis 2020 finanziert. „Wir hoffen auf eine Verlängerung durch die EU“, heißt es aus dem Bildungsministerium. Die Sozialarbeiter sollen Ursachen für Schulabbruch aus dem Weg räumen. Dazu zählen etwa Mobbing, Probleme in der Familie, Über- oder Unterforderung im Unterricht. Das Ministerium betont, dass ein Teil der erfolglosen Schulabgänger den Abschluss in einer Berufsbildenden Schule nachholt. Im vergangenen Jahr waren das 563 junge Erwachsene.
Lehrerverbände sehen Lehrermangel als Ursache für Misserfolg der Schüler
Lehrerverbände sehen im Mangel an Pädagogen die Hauptursache für das schlechte Abschneiden des Landes. „Wir brauchen ausreichend Lehrer. Das ist der Dreh- und Angelpunkt“, sagte Torsten Wahl vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte, eine qualifizierte Förderung sei nur mit genug Lehrpersonal möglich. „Alles, was früher neben dem Unterricht angeboten wurde, fällt mittlerweile weg“, kritisierte GEW-Landeschefin Eva Gerth.
Zu den Ursachen der vielen Abgänger ohne Abschluss zählt auch, dass in Sachsen-Anhalt besonders viele Schüler eine Förderschule besuchen. Die dort vergebenen Abschlüsse helfen auf dem Arbeitsmarkt kaum weiter, auch die Kultusministerkonferenz zählt sie nicht mit. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) will dennoch am dichten Netz an Förderschulen festhalten. Aktuell gibt es 92 dieser Einrichtungen, kaum weniger als in den Vorjahren. Die Zahl der dort lernenden Förderschüler stieg sogar, auf jetzt 10 240 Kinder und Jugendliche.