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Landtag Sachsen-Anhalt Landtag Sachsen-Anhalt: Steuerzahler erstatten Anzeige

Von Hagen Eichler und Jan Schumann 05.12.2016, 18:33
Blick in den Plenarsaal des Landtags in Magdeburg
Blick in den Plenarsaal des Landtags in Magdeburg dpa-Zentralbild

Magdeburg - An ihren Skiurlaub Anfang 2015  in Südtirol dürfte die einstige SPD-Fraktionschefin Katrin Budde vor allem schlechte Erinnerungen haben: Nach einem Sturz auf der Piste humpelte sie anschließend auf Krücken durch Magdeburg.

Zu allem Überfluss kam auch noch heraus, dass sie für die Fahrt den Dienstwagen der Fraktion benutzt hatte, was prompt den Landesrechnungshof auf den Plan rief.

Jetzt gibt es erneut Kritik am Finanzgebaren der Landtagsfraktionen - doch sie geht über einzelne Dienstwagenaffären weit hinaus. Der Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt hält die Fraktionen für rechtswidrig überfinanziert und hat Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Werden politische Posten im Landtag Sachsen-Anhalt zu luxuriös bezahlt?

Verfasserin ist Landesvorsitzende Helga Elschner. „Skandalös luxuriös“ empfindet die gelernte Finanzökonomin die Ausstattung der Akteure im Landtag. Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass viele Abgeordnete über ihre Diät (aktuell 6226,72 Euro) hinaus sogenannte Funktionszulagen erhalten. Die Fraktionen dürfen darüber selbst bestimmen.

Der Bund der Steuerzahler zählt in seinen Bilanzen vergangener Jahre eine Vielzahl weiterer Verstöße auf - eklatant sah er den Umgang mit Dienstwagen und Fahrtenbüchern. Der SPD-Fraktion warf er vor, von 2007 bis 2011 in den Büchern grundsätzlich nicht Zweck und Anlass der Fahrten dokumentiert zu haben. Teilweise sei auch das Reiseziel nicht angegeben, zudem passten dokumentierte Kilometerstände nicht zusammen. Auch bei der CDU und der damaligen FDP-Fraktion sah der Bund schwere Verstöße. Empfindlich reagierten die Prüfer auf Verletzungen der Trennung zwischen Partei und Fraktion. So kritisierte der Bund, dass Fraktionen teils Videofragestunden abhielten, dabei aber Antworten zur Parteiarbeit gaben. Im Ergebnis forderte der Landesrechnungshof einen Teil der verwendeten Gelder zurück. Kurios war der Fall des FDP-Fraktionschefs von 2011, Veit Wolpert. Ihm wurde vorgeworfen, mit Fraktionsmitteln sein eigenes Kochbuch vermarktet zu haben. js

Nach Recherche des Steuerzahlerbundes kamen im vergangenen Jahr 40 Prozent der Abgeordneten in den Genuss solcher Zulagen.

Elschner verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2000 im Fall des  Thüringer Landtags. Die Karlsruher Richter hatten die dortige Zulagenregelung mit der Begründung gekippt, die Verteilung von Extra-Diäten schaffe im Parlament Hierarchien und Abhängigkeiten.

Dass die Zulagen in Sachsen-Anhalt anders als in Thüringen aus dem Fraktionsbudget gezahlt werden, ist für Elschner unerheblich.

Aktuell sind es nach MZ-Recherchen vor allem CDU und AfD, die ihren Abgeordneten Zulagen gönnen. Die Christdemokraten zahlen mehr als 16 300 Euro pro Monat an insgesamt elf Abgeordnete. Neben Fraktionschef Siegfried Borgwardt, den Stellvertretern Eva Feußner und Ulrich Thomas sowie dem parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze profitieren auch sieben Arbeitsgruppen-Vorsitzende. Diese bekommen jeweils 375 Euro im Monat.

Ähnlich breit war der Kreis der Profiteure bisher nur noch bei der AfD. Die Fraktion zahlte bis Ende November Zulagen für gleich sieben Vorstandsmitglieder – allein das machte rund 10 270 Euro pro Monat. Seit Juni bekommt zudem jeder der zwölf Arbeitskreisleiter 350 Euro, was zusätzlich mit 4 200 Euro zu Buche schlägt.

AfD will weniger Zulagen an Abgeordnete im Landtag Sachsen-Anhalts zahlen

Doch die Fraktion will abrüsten, das stellte Sprecherin Laura Schuppert am Montag in Aussicht. Zum einen verkleinerte die AfD Ende November ihren Vorstand von sieben auf fünf Mitglieder, zum anderen soll in dieser Woche intern über deren künftige Zulagen beraten werden.

Deutlich weniger zahlen SPD, Grüne und Linke. Während in der SPD neben Fraktionschefin Katja Pähle und dem parlamentarischen Geschäftsführer Rüdiger Erben noch die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Zulagen bekommen – damit liegt die SPD insgesamt  bei 7 800 Euro pro Monat – kassieren bei den Linken und Grünen jeweils nur Fraktionschefs und parlamentarische Geschäftsführer. Bei den Grünen addieren sich die Zulagen auf monatlich rund 9 090 Euro, bei den Linken auf 6 000.

Michael Koß, der als Experte für Parteienfinanzierung an der Uni München häufig Politiker kritisiert, hat an Zulagen grundsätzlich nichts auszusetzen. „Es gibt Abhängigkeiten im Parlament, aber die haben nichts mit Geld zu tun. Wer eine Funktion hat, hat auch wesentlich mehr zu tun“, sagt er. Und überhaupt: „Wer auf Geld scharf ist, ist in deutschen Landtagen ohnehin falsch, der ist als Berater besser dran.“

Den Steuerzahlerbund verärgern allerdings noch weitere Punkte. So will er nicht hinnehmen, dass sich die Fraktionen durch eine Gesetzesänderung selbst genehmigt haben, Rücklagen in Höhe von 60 Prozent der Fraktionszuschüsse anzuhäufen. Bis 2014 waren es lediglich 20 Prozent, allerdings hielten sich die Fraktionen nicht daran.

Der Landesrechnungshof soll in einer vertraulichen Prüfmitteilung 2014 die Rückzahlung von 1,1 Millionen Euro verlangt haben.

Ebenfalls ein Ärgernis sind Elschner die steigenden Gesamtausgaben für die Fraktionen. Waren es 2011 noch 5,6 Millionen Euro, sind 7,1 Millionen Euro für das Jahr 2018 vorgesehen. Wie die Steigerung zustande kommt, schlüsselt das 13 Seiten starke Papier des Steuerzahlerverbandes nicht auf.

Der Landtag hatte eine Diätenerhöhung beschlossen. Gleichzeitig aber sitzt seit März mit der AfD eine zusätzliche Fraktion im Landtag.
Landtags-Präsidentin Gabriele Brakebusch (CDU) ließ am Montag mitteilen, eine Prüfung der Vorwürfe brauche Zeit. Eine Stellungnahme sei vorerst noch nicht möglich.