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Kritik von Juristen  Kritik von Juristen : Arbeiterwohlfahrt will Mitgliedern der AfD kündigen

Von Jan Schumann 11.07.2016, 18:33
Die AWO hat erklärt, AfD-Mitgliedern mit menschenfeindlichen Weltsichten zu kündigen.
Die AWO hat erklärt, AfD-Mitgliedern mit menschenfeindlichen Weltsichten zu kündigen. dpa

Magdeburg - In Zukunft soll es kein Pardon geben: Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Sachsen-Anhalt will künftig genau hinschauen, was ihre Mitglieder und Beschäftigten in ihrer Freizeit treiben. Genauer: Welches Parteibuch sie haben. Sollte dies von der AfD sein, könnten Mitarbeiter und Mitglieder des Verbandes demnächst zu unerfreulichen Gesprächen eingeladen werden.

Die AWO will künftig prüfen, ob eine Mitgliedschaft in der AfD mit dem Engagement im Sozialverband vereinbar ist. „Sollten Mitarbeitende der AWO oder ein Mitglied sich zu rechtsextremen, rassistischen und menschenverachtenden Haltungen bekennen, ist eine Kündigung oder eine Auflösung der Mitgliedschaft mit der AWO anzustreben“, heißt es auf Seiten des Verbands. Und zwar bundesweit.

Juristen haben Bedenken

AWO-Landespräsidentin Barbara Höckmann begründet den Entschluss damit, dass die AfD in ihrer Rhetorik eine Nähe zum Nationalsozialismus herstelle. Damit widerspreche die Partei den Grundwerten der AWO, die unter anderem für Solidarität und Toleranz stehe. Die AfD vertrete hingegen eine Politik, die sich gegen die Inklusion von Minderheiten stelle. Zudem seien die Schnittmengen der AfD in Sachsen-Anhalt zu rechtsextremen Gruppierungen alarmierend, sagte Höckmann.

Juristen bezweifeln jedoch, dass der AWO-Beschluss ohne Weiteres umsetzbar ist. „Ich habe schwere Bedenken, dass Sie jemandem kündigen können, weil er Mitglied einer demokratisch gewählten Partei ist“, sagt Rechtsanwalt Rainer Wilde, langjähriger Jura-Dozent an der Martin-Luther-Universität in Halle.

„Ich sehe da keine Möglichkeit. Zumal die Rechtsprechung in jüngster Vergangenheit eher arbeitnehmerfreundlich ist.“ Selbst nachweislich rassistische, dokumentierte Äußerungen - etwa in Internetforen - müssten nicht zwingend zu Kündigungen führen. „In der Regel gibt es zunächst eine Abmahnung.“ Im Gegensatz zu den Mitarbeiter-Kündigungen seien Ausschlüsse einfacher AWO-Mitglieder juristisch unkomplizierter. Dies könne mit Hilfe der Satzung geschehen, so Wilde.

Parteiarbeit lässt sich schwer verbieten

Die Auseinandersetzung mit der AfD innerhalb des Sozialsektors in Sachsen-Anhalt ist nicht neu - aber knifflig. Das zeigt der Fall der Gewerkschaft Verdi, in der etwa Arbeitnehmer der Wohlfahrt, Kirche und sozialen Dienste organisiert sind. „Es gibt den unausgesprochenen Leitsatz, dass bekennende AfD-Sympathisanten nicht bei Verdi aufgenommen werden“, sagt Jörg Förster, Sprecher des Landesbezirks Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Doch in der Praxis lasse sich eine Parteiarbeit schwer verbieten. „Schließlich müssen Sie ja auch im Bewerbungsgespräch nicht darauf antworten, in welcher Partei Sie sind.“ Er bezweifelt, dass etwaige Kündigungen vor Gericht Bestand hätten.

Ähnlich wie in der AWO wurde auch im Caritas-Regionalverband Halle diskutiert, ob soziale Arbeit und AfD-Sympathien zusammenpassen. „Die Diskussion im Vorstand hat aber nicht zu einem Beschluss geführt“, sagt Vorstandschef Reinhard Feuersträter. „Die juristischen Zweifel überwiegen - außerdem wollen wir auch mit den AfD-Sympathisanten im Dialog bleiben, sie ist ja als zweitstärkste Partei in den Landtag eingezogen.“

AfD-Landeschef Poggenburg widerspricht

AfD-Landeschef André Poggenburg bezeichnete die AWO-Mitteilung als böswillig und „Diffamierung der AfD“. „Besonders fantastisch wirkt dann die Tatsache, dass die AWO einerseits unsere demokratischen Werte durch die AfD bedroht sieht, dem dann aber dadurch begegnen will, dass sie Mitglieder einer demokratisch gewählten Partei feuern möchte“, sagte er. Kündigungen aufgrund AfD-Mitgliedschaften und fremdenfeindlichen Äußerungen verzeichnete die AWO Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr indes nicht. Allerdings schloss der Verband ein Mitglied aufgrund menschenverachtender Aussagen aus, so ein Sprecher. (mz)