Korruption in Sachsen-Anhalt Korruption in Sachsen-Anhalt: Bauern fahren auf Kosten von BASF nach Teneriffa

Halle (Saale) - Mehrere Landwirte aus Sachsen-Anhalt haben vom Chemiekonzern BASF Urlaubsreisen erhalten, wenn sie Pflanzenschutzmittel bei dem Unternehmen kaufen. Nach MZ-Informationen waren darunter einwöchige Urlaube auf den spanischen Inseln Teneriffa und Gran Canaria sowie Kurztrips im das Luxus-Hotel Neptun in Rostock-Warnemünde. Eine Anzeige eines Reisebüros in Sachsen-Anhalt löste offenbar die Ermittlungen aus. Bereits am 13. September durchsuchten mehr als 100 Beamte 17 landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen-Anhalt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen BASF-Mitarbeiter und elf weitere Personen aus landwirtschaftlichen Betrieben. Es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit.
Landwirte aus Sachsen-Anhalt besuchten Fünf-Sterne-Hotel
Ein Besuch im Neptun bleibt in Erinnerung: Das Fünf-Sterne-Hotel in Rostock-Warnemünde liegt direkt am Strand. Wem die Ostsee zum Baden zu kalt ist, der geht in die Meerwasser-Schwimmhalle mit angeschlossener Sauna-Landschaft. Das Spa bietet auch eine Sauerstoff-Kur an, um den Kreislauf wieder richtig in Schwung zu bringen. Abends gibt es reichlich Meeresfrüchte-Platten am Buffet. Ganz billig ist das Vergnügen freilich nicht. Noch im Oktober kostet eine Übernachtung im Doppelzimmer 200 bis 300 Euro. Auch Landwirte aus Sachsen-Anhalt gastierten in den vergangenen Jahren in dem Luxus-Hotel. Das schöne für sie: Die Rechnung beglich der Chemieriese BASF.
Über Jahre hinweg hat der Konzern aus Ludwigshafen unterschiedlichste Reisen für hiesige Landwirte bezahlt. Im Gegenzug kauften diese Pflanzenschutzmittel des Unternehmens. Die Staatsanwaltschaft Halle hegt nun den Verdacht, dass es sich dabei um Korruption handelte. Am 13. September durchsuchten mehr als 100 Ermittler 22 Betriebe in Deutschland. Der Schwerpunkt lag in Sachsen-Anhalt. In den Regionen Dessau, Anhalt und Wittenberg wurden in 17 Betrieben Unterlagen beschlagnahmt. Es war die größte Razzia in der Landwirtschaft seit geraumer Zeit. Laut Oberstaatsanwältin Heike Geyer wird gegen einen BASF-Mitarbeiter und elf weitere Personen aus landwirtschaftlichen Unternehmen ermittelt. BASF bestätigte die Untersuchungen.
Kleines Reisebüro bringt offenbar den Stein ins Rollen
Den Stein ins Rollen gebracht hat nach MZ-Recherchen wahrscheinlich ein kleines Reisebüro im östlichen Teil Sachsen-Anhalts. Dort soll die Frau des BASF-Mitarbeiters seit 2010 die Reisen gebucht haben. Die letzte Anfang 2015. Darunter waren Wochen-Urlaube auf den spanischen Inseln Teneriffa und Gran Canaria, ein Trip in die Alpen oder drei Tage Hotel Neptun an der Ostsee. Die Empfänger der Reisen waren Mitarbeiter von landwirtschaftlichen Betrieben. Die Rechnungen wurden aber stets an den Konzern BASF gesendet. Die Frau des BASF-Mitarbeiters soll im Reisebüro erklärt haben, es handle sich um „Auszeichnungen“.
Wie der Verdacht eines Steuerberaters den Stein ins Rollen brachte
Auf Anraten des Steuerberaters hat das Reisebüro im Frühjahr 2015 das Finanzamt über die Vorgänge informiert. Offenbar hegte der Steuerberater den Verdacht, dass die Reisen rechtlich nicht sauber sein könnten. Ein Beamter prüfte daraufhin die Bücher des Reisebüros.
Präsident des Landesbauernverbandes ist überrascht
Nach Angaben von Oberstaatsanwältin Geyer wurden die Reisen offenbar aus einem „Promotion-Budget“ des Konzerns bezahlt. Diese Mittel zur Verkaufsförderung werden unter anderem für Schulungen von Landwirten verwendet. Warum die Reisen BASF-intern nicht auffielen, ist unklar. Der Chemie-Konzern will keine Details zum Fall veröffentlichen. Nach MZ-Informationen soll der betroffene BASF-Mitarbeiter jedoch seinen Dienstwagen abgegeben haben und aktuell nicht im Einsatz sein. Bestätigt ist das nicht.
Die Staatsanwaltschaft Halle prüft nun, ob Straftaten gegen den Wettbewerb (§ 299 StGB) vorliegen. Dabei geht es um Bestechlichkeit von Angestellten oder einem Beauftragten eines Unternehmens. Die Ermittler geben nicht bekannt, welchen Straftatbestand sie genau untersuchen. Doch aus den Paragrafen lassen sich mögliche Fälle ableiten: Der Geschäftsführer oder Mitarbeiter eines Agrar-Unternehmens könnte sich strafbar gemacht haben, weil er die Reisen angenommen und gleichzeitig Pflanzenschutzmittel bei BASF gekauft hat. Damit könnte er die Eigentümer seines Unternehmens finanziell geschädigt haben. Auch dürfen Manager keine Geschenke annehmen, um ein Unternehmen danach zu bevorteilen. Bei selbstständigen Landwirten, die auf eigene Rechnung arbeiten, sieht die Sache dagegen anders aus. Sie können durch die Annahme von Urlaubsreisen niemand anderem schädigen.
Der Präsident des Landesbauernverbandes, Olaf Feuerborn, zeigte sich überrascht von den Vorfällen. „Mir persönlich wurden solche Angebote noch nie unterbreitet“, sagte Feuerborn der MZ. Er würde solche Reisen auch nicht annehmen. Doch weist Sachsen-Anhalts oberster Bauernvertreter darauf hin, dass die Pflanzenschutz-Unternehmen regelmäßig Schulungen anbieten, die auch mit Reisen verbunden sind. Bevor er sich ein Urteil bildet, will Feuerborn die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten.
Auch andere Chemie-Firmen belohnen Bauern
Doch wo hört die Schulungsreise auf und wo fängt die Vergnügungstour an? Feuerborn spricht selbst von „einem schwierigen Spagat“. Bei einer Fahrt sollte nach seiner Ansicht mindestens die Hälfte der Zeit auf Schulungen entfallen. Ein privater Agrar-Berater aus Ostdeutschland, der nicht mit Namen genannt werden will, nennt ein Beispiel: „Regelmäßig bieten einzelne Chemie-Konzerne Schulungen an, die mit dem Oktoberfest in München verknüpft sind. Es gib einen halben Tag Unterricht und am Abend geht es ins Festzelt.“ Für die Landwirte sei damit keine Verpflichtung zum Kauf von Pflanzenschutzmitteln verbunden. „Das wird aber irgendwie erwartet“, so der Berater.
Auf MZ-Anfrage teilte BASF mit, dass der Konzern für Premium-Kunden auch „Fahrten mit Fachprogramm“ anbietet. Im Regelwerk des Konzerns ist aber klar festgehalten, dass Mitarbeitern anderer Firmen niemals persönliche Vorteile in der Absicht versprochen oder gewährt werden dürfen, damit BASF einen Auftrag bekommt.
Nach MZ-Recherchen „belohnen“ auch andere Chemie-Firmen Landwirte in Sachsen-Anhalt mit Reisen. So lud ein Unternehmen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien Geschäftsführer von Agrar-Firmen zu einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft ein. In der Regel werden diese Reisen von den Pflanzenschutz-Konzernen ordnungsgemäß versteuert. Wenn die hiesigen Agrar-Chefs die Reisen mit ihren Gesellschaftern absprechen, dürften sie rechtlich auch nicht zu beanstanden sein.
Hiesige Betriebe wegen ihrer Größe umgarnt
Alle Pflanzenschutz-Hersteller arbeiten zudem mit Bonus-Programmen. Für eine bestimmte Einkaufsmenge erhält man Punkte, die im Shop eingelöst werden können. Dort gibt es Schutz-Handschuhe, Windmesser aber auch Espresso-Maschinen.
Die hiesigen landwirtschaftlichen Betriebe werden vor allem deshalb so umworben, weil sie wegen ihrer Größe hohe Volumen einkaufen. Nach Aussagen von Branchenkennern beherrschen die Konzerne BASF und Bayer sowie die Schweizer Syngenta etwa zwei Drittel des deutschen Marktes. Etwa 20 Prozent entfallen auf Hersteller von Nachahmerprodukten (Generika). Es handelt sich um ein Millionen-Geschäft. In Deutschland sind aktuell etwa 700 Pflanzenschutzmittel zugelassen. Die Zahl der einzelnen Handelsmarken liegt rund doppelt so hoch. Im vergangenen Jahr machten die Unternehmen damit allein in Deutschland einen Umsatz von rund 1,6 Milliarden Euro. Vor fünf Jahren waren es erst 1,2 Milliarden. Der Agrar-Berater sagte der MZ: „Das ganze Geschäft läuft stets mit kleinen und größeren Bonus-Programmen für die Landwirte ab. Bei BASF ist dabei aber wohl etwas aus dem Ruder gelaufen.“ (mz)