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Konzert oder Party Konzert oder Party: Nazis in Sachsen-Anhalt nutzen Gartensparten zur Vernetzung

Von Jan Schumann 14.03.2019, 09:00
Ungestörte Idylle: Rechte organisieren Konzerte in Kleingärten
Ungestörte Idylle: Rechte organisieren Konzerte in Kleingärten imago stock&people

Magdeburg - Normalerweise ist die Kleingartenanlage „Neuer Weg“ bei Hettstedt (Mansfeld-Südharz) ein Ort der Ruhe und Entspannung. Doch an diesem Abend steht die Polizei im Garten und im Vereinsheim.

Sie löst eine Party auf, die kurz davor ist, zum Rechtsrockkonzert zu mutieren. Angekündigt ist nicht irgendeine Band, sondern Kategorie C: eine Kultband der rechtsextremen Szene und unter Hooligans.

35 Gäste sind gekommen und fiebern dem Auftritt entgegen, als Polizisten die Veranstaltung auflösen. Angemietet wurde das Vereinsheim zuvor von Leuten, die keine Mitglieder im Gartenverein sind - unter einem Vorwand, wie sich herausstellt.

50 Neonazitreffen zwischen 2014 und 2018 in Sachsen

So berichtete die MZ im August 2017 über den bisher bekanntesten Vorfall in Sachsen-Anhalt, wenn es um Rechtsextreme in Kleingartenanlagen geht. Seit Jahren nutzen Extremisten beschauliche, abgelegene Sparten für ungestörte Treffen und Vernetzung. Nachgewiesen ist der Trend vor allem in Sachsen, wo das Innenministerium zwischen 2014 und 2018 mehr als 50 Neonazitreffen dokumentierte.

Die Fälle nehmen in Sachsen zu, konstatiert der Grünen-Politiker Sebastian Striegel. Nun hat er für Sachsen-Anhalt aktuelle Zahlen beim Innenministerium erfragt.

Sie liegen jetzt vor. Sie sind zwar nicht so hoch wie im Nachbarland, dennoch ist das Phänomen teilweise auch in Sachsen-Anhalt verbreitet: Sechs Veranstaltungen listet der Verfassungsschutz seit 2014 auf, fünf davon Musikveranstaltungen. Nummer sechs ist nicht genauer charakterisiert.

Außer im Fall Hettstedt verschweigt der Verfassungsschutz, wann, in welchen Anlagen und mit wie vielen Gästen die rechtsextremen Treffen stattfanden. Die Geheimhaltung diene dem Quellenschutz: „Die öffentliche Preisgabe von weiteren Informationen (...) würde Rückschlüsse auf sensible Verfahrensweisen und Taktiken der Verfassungsschutzbehörde“ ermöglichen. Genannt sind aber die Veranstalter des geplanten Konzerts im „Neuen Weg“: eine Gruppe namens „Berserker Deutschland, Division Sachsen-Anhalt“. Striegel geht davon aus, dass es in den Gärten eine Dunkelziffer gibt. „Nicht jeder Fall landet bei der Polizei.“

Dass Neonazis auch ins Kleingartenwesen drängen, weiß der Verfassungsschutz: „Das Bestreben von Rechtsextremisten, ihre verfassungsfeindliche Ideologie auch im Wege der Unterwanderung von Institutionen der Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel Sport- oder Kleingartenvereinen, zu verbreiten, ist der Landesregierung bekannt.“

Daher biete der Verfassungsschutz auch Beratung für Vereine an. „Es braucht aber auch eine zivilgesellschaftliche Antwort. Das Land finanziert ja auch andere Hilfsangebote, Stichwort Beratungsnetzwerk“, sagt Striegel. Die Regierung solle diese Angebote stärker auf dem Schirm haben und stärker nach außen tragen.

Präsident der Gartenfreunde: „Wir können ja vorher nicht fragen: In welcher Partei bist du?“

Werden Rechtsextreme in Kleingärten aktiv, stellt das Vereine vor Probleme: Das gilt, wenn Extremisten Lokale mieten oder langfristig pachten wollen. „Das sind zwar Einzelfälle“, so Jürgen Maßalski. Der Präsident der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt sagt aber auch: „Wir können ja vorher nicht fragen: In welcher Partei bist du?“ Konzerte, wie der Verfassungsschutz sie nun auflistet, könnten aber ein triftiger Grund sein, Extremisten zu verbannen. „Wenn etwas in dieser Form passiert, wollen wir Hinweise haben.“ (mz)