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Junge Radikale im Visier Junge Radikale in Sachsen-Anhalt im Visier: Verfassungsschutz will verschlüsselte Handy-Messenger mitlesen

Von Jan Schumann Aktualisiert: 21.01.2022, 13:24
Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz soll mehr Überwachungsrechte bekommen. (Symbolbild)
Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz soll mehr Überwachungsrechte bekommen. (Symbolbild) www.imago-images.de

Magdeburg - Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt soll künftig verschlüsselte Handy-Messenger wie WhatsApp auslesen dürfen, um Extremisten zu überwachen. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Innenministeriums hervor, der der MZ vorliegt. So soll der Inlandsgeheimdienst auch Radikale im jugendlichen Alter effektiver beschatten können.

„Im rechtsextremistischen Bereich, aber auch in anderen Feldern des Extremismus ist eine deutliche Verjüngung feststellbar“, so das Ministeriumspapier. Gerade im islamistischen Spektrum würden teils junge Kämpfer rekrutiert. Die Novelle wird am Dienstag im Kabinett beraten.

Verfassungsschutz darf im Messenger bisher nicht mitlesen

Nach aktueller Rechtslage dürfen die Inlandsspione bei Whats-App und Co. nicht mitlesen - anders als bei SMS. Zudem stellen moderne Chat-Verschlüsselungen hohe technische Hürden dar. Das neue Gesetz soll die Grundlage zum Auslesen sein. Dafür werden nach jetzigem Stand aber enge Grenzen gelten: Ein Richter muss sie anordnen, es darf nur laufende Kommunikation überwacht werden. Für die Ermittlungen irrelevante, intime Daten sollen tabu sein.

Die technischen Mittel zum Knacken der Chats hat das Land allerdings noch nicht - im Herbst soll mit Experten des Bundes beraten werden, wie die Überwachung konkret umgesetzt werden kann.

Während die SPD einverstanden ist, sieht der Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel noch keinen Konsens in der Kenia-Koalition. „Da geht es jetzt konkret um die technische Umsetzung“, sagte er. „Wenn mehr als die nötige Kommunikation überwacht wird, ist das mit uns nicht machbar.“ Für den Innenpolitiker ist noch ungeklärt, wie bei Zugriffen des Staates auf Privathandys intime Daten geschützt bleiben, die nicht geheimdienstrelevant sind.

Keine Überwachung von Kindern unter 14

Gestrichen im Entwurf ist der Plan, Jugendliche unter 14 Jahren überwachen zu können. Anders als bisher sollen allerdings Erkenntnisse über 14- bis 16-Jährige in digitalen Behördendatenbanken gespeichert werden. So sollen auch Verfassungsschutzämter anderer Bundesländer auf die Daten zugreifen können. „Rechtsextreme Protagonisten beeinflussen ihre Nachkommen und implementieren frühzeitig verfassungsfeindliches Gedankengut“, so der Entwurf.

„Rechtsextremistische Organisationen wie die neonazistische ‚Artgemeinschaft‘ oder die ‚Identitäre Bewegung‘ nehmen gezielt junge Menschen in den Fokus, um diese frühzeitig an sich zu binden.“

Verfassungsschutz will bei Rechten und Islamisten bessere Einblicke

Das Papier nennt aber auch Fälle aus der islamistischen Szene als Grund. Darunter Leonora M. aus Sangerhausen (Mansfeld-Südharz), die als 15-Jährige nach Syrien zum Islamischen Staat ausreiste. Es gehe in Einzelfällen auch um Jugendliche mit Terror-Bezügen ins Ausland. Laut Innenministerium stehen Minderjährige zwar selten im Fokus des Verfassungsschutzes, es handele sich aber oft um „gravierende Sachverhalte“. SPD-Innenexperte Rüdiger Erben sagte, „zweifelsohne beobachtet der Geheimdienst mittlerweile Phänomene, die es früher so nicht gab“.

Neben der Ausweitung der Überwachungsbefugnisse soll es zugleich eine bessere Kontrolle des Geheimdienstes durch Abgeordnete geben. So soll das bisher hochvertrauliche Kontrollgremium teils öffentlich tagen können, zudem sollen erstmals auch externe Mitarbeiter Akteneinsicht haben - nach einer Sicherheitsüberprüfung. Außerdem soll sich das Kontrollgremium auch mit Verfassungsschutzkontrolleuren anderer Länder austauschen dürfen. Die Grünen dringen zusätzlich auf eine neue Whistleblowing-Stelle im Verfassungsschutz. Mitarbeiter sollen dort anonym Missstände melden können, ohne Nachteile fürchten zu müssen. (mz)