Investitionsstau in Sachsen-Anhalt Investitionsstau in Sachsen-Anhalt: Viele Brücken haben Mängel

Halle (Saale) - Das Autobahnunglück in Genua (Italien) erschüttert auch in Deutschland das Vertrauen in die öffentliche Infrastruktur. Beim Zusammenbruch einer Brücke kamen am Dienstag über 40 Menschen ums Leben. „Dass etwas Ähnliches in Sachsen-Anhalt passiert, ist fast ausgeschlossen“, sagt Uwe Langkammer, Präsident der Landesstraßenbaubehörde. Brücken werden in Deutschland regelmäßig überprüft und benotet. „Wenn da eine auffällig wird, haben wir die im Blick“, so Langkammer.
91,1 Prozent der Brücken in einem mindestens ausreichend guten Zustand
Laut aktueller Jahresstatistik 2017 befinden sich von den 2.301 Straßenbrücken in Sachsen-Anhalt 91,1 Prozent in einem mindestens ausreichend guten Zustand (bis Note 2,9). Schlechter fällt die Quote bei den 717 Brücken aus, für die das Land zuständig ist.
Bei 100 dieser Bauwerke wurde ein nicht ausreichender Zustand festgestellt. 30 waren sogar in einem ungenügenden Zustand. Etwa zwei Dutzend sind laut Langkammer derzeit wegen fehlender Tragfähigkeit nur eingeschränkt befahrbar.
Auf MZ-Anfrage räumte das Landesverkehrsministerium einen Sanierungsstau ein. „Der Verkehrsetat des Landes war viele Jahre strukturell unterfinanziert“, erklärt Sprecher Peter Mennicke. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen jedoch die aufgestauten Defizite abgebaut werden. „Dafür wurden im Doppelhaushalt 2017/18 jährlich circa 85 Millionen Euro für den Landesstraßenbau bereitgestellt“, so Mennicke. Davon werden rund 60 Millionen Euro für Brücken und Straßen verwendet.
„Die Überprüfungsmechanismen von Brücken sind ein gutes Beispiel für deutsche Gründlichkeit“
Welche Bauwerke dabei zuerst auf der Agenda stehen, richte sich nach deren Zustand, aber auch nach Verkehrsbedeutung und Kapazitäten bei Baufirmen. Auf der Prioritätenliste stehen für 2018/19 insgesamt 31 Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 39 Millionen Euro.
Eine Bedrohung durch marode Brücken besteht für Ingenieur Gunter Schenck in Sachsen-Anhalt derzeit nicht. „Die Überprüfungsmechanismen von Brücken sind ein gutes Beispiel für deutsche Gründlichkeit“, sagt der Geschäftsführer der SGHG Prüf- & Planungsgesellschaft Bautechnik Halle. Es gebe speziell ausgebildete Ingenieure, die in regelmäßigen Intervallen im Rahmen der sogenannten Bauwerksprüfung die Brücken untersuchen. „Wenn da eine Einsturzgefahr festgestellt wird, werden die Bauwerke sofort gesperrt.“
Hinzu kommt, dass in Ostdeutschland der Anteil neu errichteter Brücken hoch ist. „Nach der Wende wurde hier viel Geld in die Erneuerung der Infrastruktur investiert“, sagt Schenck. So seien bei den größeren Straßen viele Brücken Neubauten.
Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt vor hohen Folgekosten
Regelmäßig werden allerdings die insgesamt niedrigen Ausgaben für die Infrastruktur bemängelt. In einer aktuellen Studie stellt das Institut der deutschen Wirtschaft eine „relativ geringe Investitionsquote“ bei den Bundesländern fest. Demnach wurden 2017 im Schnitt nur 5,3 Prozent der Gesamtausgaben der Länder für Baumaßnahmen an Straßen, Brücken oder auch Schulen verwendet. In Sachsen-Anhalt waren es 4,4 Prozent.
Angesichts dieser Zurückhaltung warnte Ralf Seibicke vom Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt vor den hohen Folgekosten. „Wenn nicht frühzeitig repariert wird, müssen Straßen oder Brücken grundsaniert oder gar neu gebaut werden“, so Seibicke. Und das sei immer die teuerste Lösung. Gerade der Zustand der Brücken sei seit Jahren bekannt. „Allerdings wurde deren Instandhaltung politisch nicht priorisiert.“ (mz)