Schutz für Mietwohnungen Immobilien in Sachsen-Anhalt: Land geht gegen verwahrloste Wohnungen vor - Fiese Vermieter im Visier
Halle (Saale) - Für einen zupackenden Kommunalpolitiker ist die Situation ein Graus: Ein Stadtteil kippt, empörte Anwohner beschweren sich - und der Rathauschef kann nichts tun. So erlebt Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) die Situation im Stadtteil Neue Neustadt. Dort sind viele Zuwanderer untergekommen, offenbar vor allem Roma aus Rumänien. Im Sommer verging kein Tag ohne Ärger über Lärm und auf der Straße abgestellten Müll.
Kern des Problems ist für Trümper die Konzentration sehr vieler Zuwanderer auf wenige Häuser. „Es gibt Kleinwohnungen, in denen 20 oder 30 Menschen leben“, sagt er. „So etwas geht doch nicht. Es gibt aber bisher kein Gesetz dagegen.“
Überbelegung in einem dünn besiedelten Land, das Hunderttausende Einwohner verloren hat? Grundsätzlich gibt es in Sachsen-Anhalt ausreichend Wohnraum, in vielen Städten und Gemeinden sogar Leerstand. Die Zustände rund um den Magdeburger Moritzplatz sind eine Ausnahme. Trümper hegt den Verdacht, dass Menschen aus Rumänien in die Wohnungen gebracht werden, um in Deutschland Hartz IV kassieren zu können. „Beweisen können wir aber gar nichts. Wir haben nicht einmal Zutrittsrecht zu solchen Wohnungen.“
Wohnungen in Sachsen-Anhalt: So will das Land Überbelegung in den Griff bekommen
Das Wohnungsaufsichtsgesetz (WAG), dessen Entwurf Minister Webel in dieser Woche im Kabinett vorgestellt hat, würde das ändern. In ihm sind Mindestanforderungen an Wohnraum definiert. Strom, Wasser und Abwasser müssen ebenso funktionieren wie die Heizung. Die Wohnung darf nicht dauerhaft durchfeuchtet oder von Ungeziefer befallen sein, natürliches Licht und Belüftung sind ebenso Voraussetzung. Außerdem muss ausreichend Platz sein – für jeden Bewohner mindestens neun Quadratmeter, für Kinder bis sechs Jahren sechs Quadratmeter. Für Wohnungen, die der Besitzer selbst nutzt, gilt diese Vorgabe nicht.
Sind die Anforderungen nicht erfüllt, darf die Kommune gegen den Vermieter ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro verhängen – oder sogar die ganze Wohnung für unbewohnbar erklären und sperren.
Für Magdeburgs Stadtchef besonders wichtig ist, dass das Ordnungsamt verdächtige Wohnungen nach dem neuen Gesetz erstmals betreten darf. „Dann können wir die Wohnberechtigung und die Aufenthaltsgenehmigung überprüfen. Bislang haben wir ja keine Ahnung, wer in diesen Wohnungen eigentlich lebt.“ Die Hausbesuche sollen laut Gesetzentwurf „rechtzeitig vorher“ angemeldet werden und zu „angemessenen Tageszeiten“ stattfinden. Gibt es aber konkrete Anhaltspunkte für Überbelegung oder unzulässige Nutzung, dürfen sich Stadtmitarbeiter auch ohne Einwilligung der Bewohner „jederzeit ohne Ankündigung“ Zugang verschaffen. Das Gesetz schränkt damit das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ein.
Die geplante Neuregelung ist Ergebnis einer Blitz-Aktion. Im Spätsommer hatte Trümper Bauminister Webel und die Landtagsfraktionen um eine juristische Handhabe gebeten. Mit der Kabinettsbefassung geht der Gesetzentwurf jetzt den Verbänden zur Anhörung zu, im Januar soll er im Landtag beraten werden.
Ganz neu ist der Text nicht: Webel lehnt sich an das Wohnungsaufsichtsgesetz von Nordrhein-Westfalen an, das dort bereits seit drei Jahren gilt. In Ruhrgebiets-Städten hatte das Vergammeln von ganzen Häusern erstmals Schlagzeilen gemacht. Im Sommer 2014 räumte die Stadt Duisburg ein Haus, in dem bis zu 1.400 Menschen unter katastrophalen Bedingungen gelebt haben sollen. Auch dort handelte es sich vor allem Roma aus Rumänien. „Seit Einführung des Gesetzes haben wir zehn Häuser mit insgesamt 109 Wohnungen durch die Wohnungsaufsicht für unbewohnbar erklärt“, sagt eine Stadtsprecherin von Duisburg. Weitaus mehr Probleme seien aber im Einvernehmen mit den Eigentümern gelöst worden. Auch andere Städte haben die neuen Eingriffsmöglichkeiten genutzt. Die Stadt Essen hat nach eigenen Angaben 275 Fälle bearbeitet.
Der Verband der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt begrüßt Webels Vorstoß. „Den Ansatz, gegen Überbelegung und die Verwahrlosung von Immobilien vorzugehen, halten wir für richtig“, sagt Verbandsdirektor Jost Riecke. (mz)