"Ich war schockiert" "Ich war schockiert": Täter mit viel krimineller Energie: Betrüger erpressen Hotels Cafés und Pensionen

Quedlinburg/Halle (Saale) - Das ist eine Bewertung, die niemand über sich lesen will: Sie sei ausländerfeindlich und eine Kinderhasserin, schreibt eine „Sandra Lehmann“ über Manuela Schlitt, die Betreiberin des Quedlinburger Cafés „Frau Schnittchen“. „Ich war schockiert“, sagt Schlitt, die im Internet bisher nur positiv bewertet wurde. Es war kein Gast, der am Dienstag online pöbelte, sondern ein Betrüger. Vier Minuten, nachdem sie am Telefon eine ungerechtfertigte Geldforderung abgelehnt hatte, kassierte Manuela Schlitt diese Bewertung.
Sie ist nicht das einzige Opfer in Sachsen-Anhalt. Auch ein Restaurantbesitzer aus Quedlinburg, der anonym bleiben möchte, sowie Georg Hoffmann, Inhaber des Wittenberger Restaurants „Zum Goldenen Anker“, bestätigen auf MZ-Nachfrage, nach betrügerischen Anrufen eine negative Bewertung erhalten zu haben.
Manipulationstechnik: Onlineportal warnt vor „Spoofing“
Auf dem Onlineportal onlinewarnungen.de wird vor dieser Betrugsmasche gewarnt. Die Täter nutzen demnach sowohl Handynummern als auch gefälschte Festnetznummern - „Spoofing“ nennt sich diese Manipulationstechnik. Bei Manuela Schlitt wurde eine Nummer aus Nordrhein-Westfalen im Display angezeigt.
Die Masche, die die Betroffenen schildern, ist immer dieselbe: Der Anrufer gibt sich als Google-Mitarbeiter aus, redet den Betroffenen ein, dass sie für ihr Unternehmensprofil künftig zahlen müssen - mehrere Hundert Euro pro Jahr. Manuela Schlitt sei alternativ angeboten worden, das angebliche Abonnement zu kündigen - natürlich gegen Geld, sagt sie.
Das Heimtückische daran: Ein Unternehmensprofil haben die Angerufenen tatsächlich. Google gibt Gewerbetreibenden die Möglichkeit, einen Brancheneintrag zu erstellen, so können sie zum Beispiel Adresse, Telefonnummer und aktuelle Öffnungszeiten hinterlegen. „Google My Business“ - so heißt der Dienst - ist jedoch, anders als von den Betrügern behauptet, kostenlos.
LKA in Magdeburg ermittelt wegen ähnlicher Fälle
„In Sachsen-Anhalt ist das Problem bei der Polizei noch nicht bekannt“, sagt Andreas von Koß, Sprecher des Landeskriminalamts. Es gebe aber Anzeigen solcher Online-Attacken in anderen Bundesländern. Das Magdeburger LKA ermittle derzeit wegen eines ähnlichen Vorfalls: „Eine Pension ist per E-Mail angeschrieben und bedroht worden: ,Wir bewerten Sie schlecht, wenn Sie uns kein Geld überweisen.’“ Die Täter hätten viel kriminelle Energie und seien extrem „abgezockt“, sagt von Koß. Den Tatort will er nicht nennen. Das LKA ermittle zwar, „aber über solche Wegwerf-Mailadressen kann man die Identität nicht feststellen“.
„Pfui“ oder „nie wieder“ - Duktus in Rezensionen stets gleich
Was auffällt: „Sandra Lehmann“ bewertet fast ausschließlich negativ - in hoher Schlagzahl und schlechtem Deutsch. Allein am Donnerstag kassierten bundesweit fünf Einrichtungen eine Negativ-Bewertung, am Freitag waren es drei. Nur einmal gab sie fünf Sterne: für ein Bordell in Nürnberg. Der Duktus in den Rezensionen ist stets derselbe. „Pfui“, heißt es da, und: „nie wieder“, von Haaren im Essen ist mehrfach die Rede. Manchen Geschäftsinhabern wird unterstellt, unfreundlich gewesen und sogar handgreiflich geworden zu sein. Das LKA rät, nicht auf die Erpressung einzugehen, kein Geld zu zahlen, den Eintrag als Screenshot zu sichern und beim Betreiber löschen zu lassen - sowie Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Manuela Schlitt hat sich an Google gewandt, die Negativ-Bewertung gemeldet. Der Internetriese reagierte und entfernte - anders als bei ihren Kollegen - die Rezension am Donnerstag umgehend. Das sei möglich, wenn gegen die Google-Richtlinien verstoßen werde, heißt es in der Google-Hilfe. Die Pressestelle des Unternehmens äußerte sich auf MZ-Anfrage nicht. (mz)