Hakenkreuze in Chats Hakenkreuze in Whatsapp-Chats: Neue Rassismusvorwürfe gegen Polizisten in Sachsen-Anhalt
Magdeburg - Mitten in den Ermittlungen zu rassistischen und antisemitischen Einstellungen in Sachsen-Anhalts Bereitschaftspolizei erheben Polizisten neue Vorwürfe gegen Kollegen. Es geht um mutmaßlich rechtsextreme und strafbare Äußerungen in internen WhatsApp-Gruppen und gleichzeitigen „Gruppenzwang“ in der Bereitschaftspolizei in Magdeburg.
Nach MZ-Informationen werden die Vorwürfe in einem anonymen Brief erhoben, der am Montag im Innenministerium einging. Das Haus unter Holger Stahlknecht (CDU) bestätigte den Eingang.
In dem Brief beschreibt eine mutmaßliche Polizistin ein „rechtes Macho-Klima“ in der Polizei. Fremdenfeindliche Äußerungen seien unter einigen Kollegen an der Tagesordnung.
Werden strafbare Inhalte in privaten Handymessenger-Gruppen verbreitet?
Beispielhaft nennt sie Schmähungen wie „Kanake“ und „Ziegenficker“ - wenn solche Begriffe unter Kollegen fallen, „dann fühle ich mich im Dienst nicht mehr wohl und verstehe, warum manche Bürger das Vertrauen in uns verlieren“, so das Schreiben. „Vor allem in letzter Zeit bemerke ich unangenehmes Verhalten wenn es um die Corona-Krise geht“, heißt es weiter.
„Wir als Polizei müssen im Zweifel für die Durchsetzung der Eindämmungsverordnung sorgen und sollten daher eine Vorbildfunktion einnehmen und uns nicht den Leugnern oder Querdenkern anschließen. Diese Einstellungen und Stammtischparolen sind aber jedem Zugführer und wahrscheinlich auch allen anderen Hundertschaftsführern bekannt, denn sie teilen sie ja oft genug auch selbst“, warnt der Brief.
Zudem würden Polizisten in privaten Handymessenger-Gruppen teils strafbare Inhalte verbreiten. „Ich sehe zu oft, wie geschmacklose Bilder und sogar 86a-Kennzeichen in diversen privaten WhatsApp-Gruppen ausgetauscht und am Leben gehalten werden.“ Der Strafgesetz-Paragraf 86a verbietet das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole wie Hakenkreuz und Hitlergruß. Dem Brief beigefügt sind Bilder, die in den Polizistengruppen geteilt worden sein sollen: halbnackte Frauen mit SS-Uniform und Hakenkreuz-Armbinde. „Spätestens wenn die Männer in den EHUs (Einsatzhundertschaften; d.R.) bei Auswärtseinsätzen wieder besoffen sind, ist es auch für die letzten Kolleginnen und Kollegen spürbar und kein Kollege kann noch behaupten es nicht gewusst zu haben.“
Die mutmaßliche Polizistin dringt auf Aufklärung: „Ich möchte wirklich keine Kollegen ans Messer liefern, aber wir alle haben einen Eid auf das Grundgesetz und die freiheitliche demokratische Grundordnung geleistet.“ Die geschilderten Vorwürfe seien unter Kollegen bekannt, sie blieben aber ohne Konsequenz. „In diesem Klima gehen unsere guten Kolleginnen und Kollegen unter, die sich täglich anstrengen und ihren Dienst fleißig und verantwortungsbewusst verrichten.“
Untersuchungen zu antisemitischen und rassistischen Einstellungen in Sachsen-Anhalts Polizei
Aktuell untersucht bereits eine Kommission, ob antisemitische und rassistische Einstellungen in Sachsen-Anhalts Polizei bestehen. Anlass sind Vorwürfe, nach denen bei der Bereitschaftspolizei im Magdeburger Stadtteil Prester jahrzehntelang ein antisemitisches Klischee gepflegt wurde und ein Kantinenpächter „der Jude“ genannt wurde. Kein Vorgesetzter soll eingeschritten sein.
„Ich habe in der Bereitschaftspolizei leider schon Schlimmeres gehört“, heißt es in dem Brief. „Alle Kolleginnen und Kollegen, die nicht selbst schon Opfer des Gruppenzwangs in Prester geworden sind, werden es wissen.“ Aber: „Niemand sagt etwas.“ Der Wille zur Aufklärung in der Bereitschaftspolizei sei bereits jetzt wieder am Ende. Konkrete Schritte kündigte das Ministerium zunächst nicht an. Der Inhalt des Schreibens werde geprüft, die Vorwürfe würden voraussichtlich ebenso verfolgt wie die Vorfälle in Bezug auf die Kantine. (mz)