Gerichte in Sachsen-Anhalt Gerichte in Sachsen-Anhalt: Weniger Asylklagen werden eingereicht

Magdeburg - Die Zahl unerledigter Asylklagen bei den Verwaltungsgerichten in Sachsen-Anhalt ist erstmals wieder rückläufig. Seit 2012 ziehen immer mehr Ausländer vor Gericht, um in Deutschland einen Schutzstatus einzuklagen. Sprunghaft stieg die Zahl der Streitigkeiten ab 2016.
Zur Jahresmitte 2017 türmte sich an den beiden Verwaltungsgerichten Halle und Magdeburg ein Berg von rund 4 600 offenen Fällen. Jetzt ist die Zahl leicht gesunken, auf rund 4 300 offene Fälle Ende September.
Das Justizministerium will noch nicht von einer Trendwende sprechen. Zumindest bis 2018 werde sich die Belastung der Gerichte voraussichtlich „auf hohem Niveau stabilisieren“, sagte Ministeriumssprecher Detlef Thiel.
Die Flut der Asylklagen hat Folgen für alle anderen Rechtsbereiche. „Die müssen derzeit länger warten“, bestätigt Oliver Becker, Präsident des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Magdeburg. Verwaltungsgerichte entscheiden über Klagen gegen Behörden, etwa über Baugenehmigungen, Gebührenbescheide oder das Handeln der Polizei.
Becker betont, dass die Festsetzung der Prioritäten nicht in der Hand der Gerichte liege. „Im Asylrecht gibt der Gesetzgeber oft enge Fristen vor. Zum Beispiel müssen offensichtlich unbegründete Klagen sehr schnell entschieden werden.“
Verschiebungen gibt es bei den Herkunftsländern der Kläger. Seit dem Schließen der Balkan-Route sinkt der Anteil der Menschen aus dem Nahen Osten, es steigt der Anteil der Afrikaner. Vor allem im zweiten Halbjahr 2017 ist zudem die Zahl der Kläger mit türkischer Staatsangehörigkeit drastisch gestiegen. Am Verwaltungsgericht Magdeburg lagen Verfahren von Türken vor denen aller anderen Herkunftsländer.
In der Türkei könne jeder ins Visier des Staates geraten, sagte OVG-Präsident Becker, etwa wenn er in Verdacht gerate, der Gülen-Bewegung anzugehören. Diese wird von Staatspräsident Erdogan für den Putschversuch verantwortlich gemacht.
Flüchtlings- und Wohlfahrtsorganisationen halten viele Verfahren für vermeidbar. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe die Qualität der Entscheidungen abgenommen, urteilt etwa die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Sachsen-Anhalt.
Flüchtlinge versuchen in Deutschland vor Gericht ihren Status zu verbessern
„Da werden Menschen nach sogenannter Bleibeperspektive in Gruppen eingeteilt, obwohl unser Asylrecht individuell ist. Da fallen viele Menschen hinten runter, die dann vor Gericht ziehen müssen“, kritisiert der AWO-Migrationsexperte Jan Bartelheimer.
Viele Flüchtlinge erhalten vom Bamf lediglich den sogenannten subsidiären Schutz zugebilligt. Vor Gericht versuchen sie, diesen Status zu verbessern, um auch ihre Familie nachholen zu können.
Nach dem starken Anwachsen dieser Klagen hatte der damalige OVG-Präsident Michael Benndorf im Frühjahr Alarm geschlagen. „Wir kommen nicht hinterher“, sagte er der MZ und forderte 25 neue Richterstellen. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) reagierte, wenngleich nicht im geforderten Ausmaß.
Bis zum Jahresende sollen zwölf neue Richter eingestellt sein. Bei vier Abgängen bleibt ein Plus von acht Stellen. „Derzeit gehen wir davon aus, dass das ausreicht, um die Handlungsfähigkeit der Verwaltungsgerichte zu gewährleisten“, sagt Ministeriumssprecher Thiel. Allerdings schließt er nicht aus, dass weitere Stellen nötig werden könnten. (mz)