Asylverfahren in Sachsen-Anhalt Asylverfahren in Sachsen-Anhalt: "Wir kommen nicht hinterher"

Halle (Saale) - Die Verwaltungsgerichte Halle und Magdeburg stehen vor einer nie dagewesenen Zahl von Asylverfahren.
Im vergangenen Jahr gingen bei ihnen 4.800 Flüchtlingsklagen ein, mehr als je zuvor. Damit dreht sich bereits jedes zweite Verfahren an den Verwaltungsgerichten um das Thema Asyl. Für dieses Jahr werden sogar 7.000 neue Fälle erwartet.
Die Klageflut ist Folge der Aufrüstung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Behörde hat mit einer deutlich höheren Zahl von Mitarbeitern begonnen, zahlreiche aufgelaufene Anträge zu entscheiden. „Darunter sind viele Fälle von Syrern, die nicht individuell beurteilt werden, sondern pauschal als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt werden“, sagt Kristina Kubon, Pressesprecherin des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg.
Mit diesem sogenannten subsidiären Schutz haben die Flüchtlinge jedoch kein Recht, Familienangehörige nachzuholen. Das gehört zu den Verschärfungen, die vor einem Jahr im Asylpaket II auf den Weg gebracht wurden. Zahlreiche Syrer klagen nun, um einen besseren Schutzstatus zu erreichen, viele mit Erfolg.
Gerichte stoßen an ihre Grenzen
Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Michael Benndorf, sieht die Kapazität der Gerichte bereits jetzt überfordert. „Die Zahl der Asylklagen hat sich in einem solchen Maß gesteigert, dass wir dem nicht mehr gewachsen sind. Wir kommen nicht hinterher.“ Er fürchtet eine Situation wie an den Sozialgerichten nach der Einführung der Hartz-Gesetze. Bereits jetzt schieben die Gerichte einen Berg von 4.000 offenen Asylverfahren vor sich her.
Benndorf hält es für notwendig, dass die Zahl der Richter an den Verwaltungsgerichten von aktuell 50 auf 75 aufgestockt wird. „Leider haben wir nicht die Lobby. Polizisten und Lehrer gelten als wichtiger.“ Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) räumt ein, dass die Ausstattung ungenügend ist. 25 zusätzliche Stellen seien jedoch eine Maximalforderung, die wohl nicht erfüllt werden könne. Wie viel Verstärkung die Richter erwarten können, lässt die Ministerin offen. Derzeit werde geprüft, ob man Richter von anderen Gerichten abordnen könne - das sei aber schwierig, weil es auch anderswo knapp sei. „Wir erfassen derzeit, was haushalterisch an Neueinstellungen möglich ist – und das, was wir für eine funktionierende Justiz auch tatsächlich brauchen.“
Experten halten Teil der Klagen für vermeidbar
Experten aus der Flüchtlingshilfe halten einen Teil der Klagen für vermeidbar. Im Bamf gebe es hohen Druck, schnell zu entscheiden, beklagt Monika Schwenke, bei der katholischen Caritas zuständig für die Flüchtlingsberatung in Sachsen-Anhalt. „Nicht jeder Flüchtling hat genug Zeit, unsere Beratung in Anspruch zu nehmen. Viele wissen deshalb nicht, welche Bedeutung ihre Anhörung beim Bamf hat. Sie vergessen wichtige Punkte und das führt später zu Klagen.“ Auch sei die Qualität der Entscheidungen durch viele angelernte Kräfte im Bamf zurückgegangen.
Ein Asylklageverfahren dauerte 2016 in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 9,7 Monate. Die Richter prüfen Dokumente, müssen die Lage in Krisengebieten und Verfolgungsgründe bewerten. Allein der Einsatz von Dolmetschern kostete 90.000 Euro. (mz)