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Energiekrise Ist Strombörse ein Preistreiber? - Hallesche Wirtschaftskammer fordert Eingriff bei Leipziger EEX

An der Leipziger EEX haben sich die Preise für Gas und Strom verzehnfacht. Die CDU-Fraktion plädiert inzwischen sogar für ein Aussetzen des Handels. Wie die EEX reagiert.

Von Steffen Höhne 01.09.2022, 19:00
Strompreis an Börse EEX
Strompreis an Börse EEX (Fragik: Büttner)

Leipzig/Halle/MZ - Die Preise an der Leipziger Energiebörse EEX kannten in den vergangenen Wochen nur eine Richtung: steil nach oben. Strom zur Lieferung im nächsten Jahr kostete zwischenzeitlich mehr als 1.000 Euro je Megawattstunde. Zum Vergleich: Ende 2021 waren es 80 Euro (siehe Grafik).

Diese Großhandelspreise spiegeln die Einkaufskosten für Stadtwerke und große Industriefirmen für 2023 wider. Für den Haushaltskunden sind diese Preise abstrakt. Der Energieexperte Lion Hirth hat es daher übersetzt: Der Preis für Haushaltsstrom würde inklusive Steuern und Netzumlagen von 32 Cent im Jahr 2021 auf 1,40 Euro im Jahr 2023 steigen. Ob das so kommt, kann niemand sagen. Doch das sind zumindest die aktuellen Markterwartungen.

Energiebörse EEX verteidigt  Handelssystem: „Nur Fieberthermometer“ des Marktes

Viele Wirtschaftsvertreter sehen mit Schrecken auf diese Entwicklung und fordern einen politischen Eingriff. „Die Preisfindung an der EEX hat jahrelang gut funktioniert, doch wegen der aktuell extrem hohen Gaspreise ist das System außer Kontrolle“, sagte Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, der MZ. „Diese Preise ruinieren die Wirtschaft.“ Die CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt fordert eine sofortige Reform des Strommarktes mit dem Ziel, „die Endkundenpreise für Strom vom Gasmarkt zu entkoppeln“ . Der neue Fraktionschef Guido Heuer fordert das „zeitweises Aussetzen der Leipziger Strombörse“.

Doch warum wird Strom so viel teurer? Anders als beim Gas besteht keine Abhängigkeit von Russland. Deutschland ist sogar ein Stromexporteur in Europa. „Doch auch auf dem Strommarkt schlagen die hohen Erdgaspreise durch“, sagte Energieexperte Manuel Frondel vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zuletzt. Der Marktpreis werde von dem Kraftwerk bestimmt, das als Letztes für die sichere Versorgung notwendig ist. Das seien Gaskraftwerke - die mit extrem teuren Erdgas Strom produzieren. „Die Betreiber von Windrädern und Braunkohlekraftwerken verdienen sich derzeit dumm und dämlich“, kritisierte Brockmeier. Trotz fast gleichbleibender Produktionskosten würden sie die hohen Börsenpreise einstreichen.

Nach Angaben der EEX haben die hohen Preise fundamentale Gründe: Neben der Gasknappheit seien das vor allem die eingeschränkte Verfügbarkeit von französischen Kernkraftwerken und Wasserkraftwerken aufgrund der Trockenheit. „Das Preissignal der Börse ist die aussagekräftigste Quelle, wie es tatsächlich um Angebot und Nachfrage bestellt ist“, sagte eine EEX-Sprecherin auf MZ-Anfrage. Eine Aussetzung des Handels wäre aus Sicht der EEX ein großer Fehler. „Wenn ich Fieber habe, geht das auch nicht weg, indem ich das Fieberthermometer nicht mehr benutze“, so die Sprecherin.

So könnte eine Lösung der Strompreis-Probleme aussehen

Auch Änderungen im Handel sieht die EEX skeptisch: „Die hohen Preise sind ohne Frage problematisch, aber die tatsächliche Situation des Angebots im Gas- und Strommarkt ist es auch.“ Eine Veränderung des Börsenhandels behebe keine der Ursachen. „Im Gegenteil, ein Unterdrücken des Preissignals kann sogar Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben, wenn Angebot und Nachfrage nicht mehr zum Ausgleich gebracht werden können“, so die Sprecherin weiter.

Die Folgen der hohen Marktpreise sind bereits bei den Stadtwerken spürbar. Beim Handel an der Börse müssen Sicherheiten hinterlegt werden. Aufgrund der hohen Preise steigen diese nun in einem Ausmaß, dass die Energieversorger diese teilweise nicht mehr zahlen können. Die Stadt Leipzig stellt laut „Leipziger Volkszeitung“ den Stadtwerken Leipzig nun ein Darlehen von bis zu 150 Millionen Euro zur Verfügung, um die Kosten zu tragen. Das Land Sachsen-Anhalt plant einen Schutzschirm von 200 Millionen Euro für die Stadtwerke des Landes.

Doch was kann der Staat tun, um die Situation zu lösen? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angesichts der hohen Preise eine strukturelle Reform des europäischen Strommarktes sowie Notfallmaßnahmen in den kommenden Wochen angekündigt. Doch eine Änderung des Systems ist schwierig. Spanien und Portugal subventionieren laut „Handelsblatt“ seit Juni Gas, das zur Stromerzeugung verwendet wird. Der Mechanismus soll sicherstellen, dass der Strompreis anfangs nicht über 40 Euro pro Megawattstunde steigt. Diese Art „Preisdeckel“ kostet den Staat aber viele Milliarden Euro.

Brockmeier sieht eher die Lösung darin, dass der Bund energieintensiven Firmen und Haushalten direkt mit Zahlungen unterstützt - ähnlich wie es in der Corona-Krise. „Das ist auch teuer, aber billiger als der Ruin der Wirtschaft.“