"DDR genial" Nur Ossis wissen das! Diese innovativen Ost-Erfindungen veränderten die Welt
Ob praktische Alltagstricks oder bahnbrechende Neuerungen – die DDR war ein Nährboden für Erfindungen, die unser Leben bis heute prägen. In der Sendung "DDR genial – Mangel macht erfinderisch" beleuchtet das ZDF, wie diese Ideen entstanden sind und welche Spuren sie hinterlassen haben.

Leipzig/DUR. – Leere Regale und Lieferengpässe gehörten zum Alltag der DDR dazu. Weil viele Produkte aufgrund fehlender Handelsbeziehungen mit anderen Staaten nicht verfügbar waren, setzte man im Osten Deutschlands auf Eigenentwicklungen. Dabei entstanden einige Erfindungen, die weltweite Auswirkungen hatten.
In der Sendung „DDR genial – Mangel macht erfinderisch“ blickt das ZDF nun auf diese besonderen Innovationen zurück. Dabei werden prominente Gäste mit Produkten konfrontiert, die heute fast vergessen sind – aber zum Teil noch immer genutzt werden.
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DDR-Matten brachten Skispringer an die Weltspitze
Als Ex-Boxer Axel Schulz ein dunkelgrünes, unförmiges Gummiteil in die Hand bekommt, fragt er irritiert: "Was ist das denn?" Hinter dem unscheinbaren Objekt steckt eine Entwicklung, die den Wintersport revolutionierte.
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Der frühere Skispringer und Olympiasieger Jens Weißflog kennt die Antwort – und den Ursprung der Erfindung. Trainer Hans Renner suchte in den 1950er Jahren nach einer Möglichkeit, seine Skispringer auch im Sommer zu trainieren.
1954 rutschte er zufällig auf einer Gummimatte aus – ein Moment, der zündete. Mit PVC experimentierend, entwickelte Renner eine spezielle Matte, die Skisprünge auch ohne Schnee ermöglichte.
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In den folgenden Jahren katapultierte diese Innovation die DDR-Skispringer an die Weltspitze. Die Matten wurden sogar in den Westen exportiert. "Das war Erfindergeist", erinnert sich Weißflog. Bis heute wird die Technik genutzt, etwa im Wintersportzentrum Oberhof.

Urtes: Telefon ohne Kabel und Leitungen
Auch im Bereich Telekommunikation spielte die DDR eine Vorreiterrolle. In einem Gebiet in Mexiko wurde in den 1970er-Jahren ein Telefonsystem benötigt, das ohne Kabel und Leitungen funktioniert. Um die bilateralen Beziehungen zu stärken, versprach die DDR eine technische Lösung.
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Der VEB Funkwerk Köpenick, unterstützt von der Regierung, entwickelte innerhalb kürzester Zeit das Urtes – ein UHF-Radio-Telefonie-System. Mithilfe von Funktürmen konnten abgelegene Dörfer mit einer Telefonzentrale verbunden werden. Das dazugehörige Endgerät, genannt "Blaumeise", stand zentral in den Gemeinden und wurde später auch in andere Länder exportiert.
"Ich finde das definitiv genial, wenn aus dem Nichts eine Technologie entsteht, die vorher nicht da war", staunte Comedienne und Influencerin Tina Goldschmidt bei der Sendung.

Wie die DDR das Sandmännchen von der BRD klaute
Zu DDR-Zeiten wurde Fernsehen zum neuen Volkssport. Im DFF, so damals die Abkürzung für das Staatsfernsehen der DDR, lief damals ein ganz besonderes Kinderprogramm über die Bildschirme der Haushalte: das Sandmännchen.
Dabei stammt die ursprüngliche Idee aus dem Westen vom "Klassenfeind". Dort plante man eine Kindersendung mit einer Sandmann-Puppe. Die DDR-Regierung befürchtete, dass dadurch nun schon die Kleinsten animiert würden, West-Fernsehen zu gucken. Also musste eine Lösung her.
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Im November 1959, knapp drei Wochen vor der Premiere im Westen, beauftragte die DDR das eigene Sandmännchen. Gestalter Gerhard Behrendt entwarf die Figur. Die Folgen wurden in aufwendiger Stop-Motion-Technik produziert. Innerhalb einer Nacht wurde die bekannte Titelmelodie komponiert.
Am 22. November 1959 ging das DDR-Sandmännchen zum ersten Mal auf Sendung. "Ich finde es richtig genial. Der Tag war vorbei, man hatte sein Ritual und einen Abschluss zum Abend", erzählt Schauspielerin Rhea Harder-Vennewald.
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Neun Tage später startete die ARD mit dem West-Sandmännchen. Dieses konnte jedoch nie den ikonischen Status des Ost-Sandmännchens erreichen. Die DDR exportierte die Sendung sogar in ferne Länder und Kontinente: Skandinavien, Afrika, Sri Lanka, Mongolei und Vietnam sahen alle das Sandmännchen. 1978 begleitete es mit DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn auch den ersten Deutschen ins All.
Nach der Wende sollte das Ost-Sandmännchen abgesetzt werden. Die Protest-Welle war jedoch so groß, dass das Ost-Sandmännchen schließlich gesamtdeutsch wurde. Bis heute wird es gesendet und ist damit die älteste deutsche Kindersendung, die aktuell noch produziert wird.
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Malimo: Eine Maschine veränderte die Textilindustrie
Eine weitere bahnbrechende Innovation der DDR war Malimo. Die Idee von Erfinder Heinrich Mauerberger? Eine Maschine zu entwickeln, die mit vielen Nadeln in Nähmaschinen-Geschwindigkeit Stoffe herstellt. Dafür entwickelte er ein Drei-Faden-System, mit dem Stoffe noch enger zusammengewebt werden konnten.
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Seine Maschine konnte fast alle Stoffe verarbeiten und wurde gerade bei der Arbeit für Textilien zum täglichen Gebrauch zum Alleskönner. Im Erzgebirge entstand mit dem VEB Malitex eines der größten und modernsten Textilunternehmen der DDR.
Die Malimo-Maschinen wurden in mehr als 40 Länder verkauft. Ein US-Unternehmen lizenzierte sogar das DDR-Verfahren. Erfinder Mauersberger wurde durch seine Erfindung jedoch nicht reich. Bis jetzt ist nicht bekannt, wohin die Devisen damals geflossen sind. Noch heute wird seine Erfindung in der Textilindustrie eingesetzt und sogar in der Raumfahrt verwendet.
Plattenbau: Sichtbarstes Symbol des Sozialismus im Alltag
Anfang der 1970er Jahre fehlte es in der DDR massiv an Wohnraum. 5,9 Millionen Wohnungen reichten für 17 Millionen Einwohner bei weitem nicht aus. Die vorhandenen Wohnungen waren oft unsaniert, ohne Zentralheizung oder fließendes Wasser.
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Die DDR-Führung startete das Projekt Plattenbau. Innerhalb weniger Jahre sollten Millionen neuer Wohnungen entstehen. Durch die Fertigteile aus der Fabrik wurde das möglich. Diese wurden auf den Baustellen lediglich nur noch zusammengesetzt.
Dabei entwickelte sich die Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) zum Rückgrat der DDR. Insgesamt 644.900 Wohnungen der Serie gab es.
Skisprunglegende Jens Weißflog erinnert sich: "Es waren tolle Wohnungen. Man hat ganz schlecht einen Nagel in die Wand bekommen – also eigentlich gar keinen. Ich weiß auch nicht, wie viele Bohrer ich damals verschlissen habe, um ein paar Bilder aufzuhängen", sagt der Olympiasieger in der Sendung.
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"Hellhörig war es", erinnert sich Schauspielerin Anja Kling und sagt weiter: "Alle Kinderzimmer, alle Bäder und alle Küchen waren übereinander. Alle Geräusche im Haus wurden von oben nach unten weitergetragen."
Ein zentrales Punktesystem entschied damals, wer in die Wohnungen ziehen durfte. Besonders bevorzugt wurden dabei Familien. Um die Plattenbauten herum entstanden ganze Siedlungen mit Kindergärten, Einkaufsläden und öffentlichen Plätzen. Am Ende wohnte rund ein Drittel der Bevölkerung in Plattenbauten.
Comedienne und Influencerin Tina Goldschmidt über ihre Kindheit: "Ich erinnere mich vor allem an die gute Gemeinschaft im Haus. Als Kind hat man sich von oben nach unten durchgeklingelt und gefragt, ob Alex und Mandy mit rauskommen durften. Ab und an hat Mutti dann vom Balkon geschrien, dass es Essen gibt."
Obwohl der Plattenbau lange verschrien war, kehrt er heutzutage wieder zurück und bietet so bezahlbaren Wohnraum.
Mixer RG28: Unverwüstlicher Klassiker
Das Rührgerät 28 (RG28) war ein wahres Küchenwunder. Sein Antrieb basierte auf einer Haarschneidemaschine.
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Als Stiftung Warentest 2020 Rührgeräte testete, durfte der 40 Jahre alte Dauerbrenner mit ins Rennen – und steckte einen Großteil der hochmodernen Mixer in puncto Belastbarkeit auch nach 450 Arbeitsstunden noch in die Tasche.
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Das Gerät gab es damals auch als Dosenöffner und Schleifmaschine. Die DDR-Wirtschaft war wegen Materialknappheit nur bedingt auf Konsum ausgelegt. Um die Devisen zu sparen, sollten Geräte ewig halten.
Astro 1: DDR-Weltraum-Navi veränderte die Raumfahrt
Als 1978 Sigmund Jähn als DDR-Kosmonaut der erste Deutsche im All wurde, hatte er die Spezialkamera MKF6 im Gepäck. Diese lieferte einzigartige Aufnahmen der Erdoberfläche in sechs verschiedenen Spektralbereichen.
Die Bilder waren so gut, dass die Sowjetunion 1984 mehr Weltalltechnik aus der DDR orderte. Gebraucht wurde eine Kamera, die Raumschiffe durch das All leiten konnte. Der Auftrag ging an den Optikhersteller Carl Zeiss aus Jena. Dieser hatte schon die MKF6 entwickelt.
Die Ingenieure setzten dieses Mal auf die neuartige CCD-Technik. Damit konnte die Kamera Bilder in Echtzeit digital erfassen – eine absolute Weltneuheit. 1987 sollte der Sternen-Sensor einsatzbereit sein, doch es gab Hürden bei der Entwicklung zu meistern.
"Astro bestand aus mehreren Elektronikeinheiten. Einige davon waren im inneren des Raumschiffs montiert. Anders war es bei der Kamera. Um ein freies Gesichtsfeld zu haben, musste diese außen montiert werden", erzählt Christian Elstner vom damaligen Entwicklungsteam.
Doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Innerhalb von vier Jahren entstand das Navi fürs Weltall. 1989 startete "Astro 1" zur sowjetischen Raumstation Mir, dem größten Prestigeobjekt der Ostblock-Raumfahrt.
Das System funktionierte so gut, dass es sogar die DDR überlebte: Heute sind Astro-Sensoren ein internationaler Verkaufsschlager und werden noch immer in Jena gefertigt. Laut Angaben der Jena-Optronik GmbH sind aktuell 530 Satelliten im All mit der Technik ausgestattet.
Superfest-Gläser: Unkaputtbare Trinkgläser der DDR
Scherben konnte sich die DDR nicht leisten. Der Mangel an Ressourcen war groß, auch der an Gläsern. Um den Glas-Mangel zu bekämpfen, sollte ein Forscher-Team unzerstörbare Trinkgläser entwickeln.
Und das Forscher-Team hatte Erfolg: Quarzsand, Soda und Kalk wurden bei der Herstellung verschmolzen. Anschließend wurde die zähflüssige Masse in Form gebracht. Den Natrium-Ionen des hergestellten Glases wurden mit einer Sprühschicht Kalium-Ionen hinzugefügt. Das Ergebnis: Die Ionen vermischten sich und verhärteten so das Glas, wodurch es verfestigt wurde.
Im Juni 1980, knapp zwei Jahre nach den ersten Versuchen, meldete das Forscher-Team ein Patent für bruchsicheres Glas an. Fünf mal so lange wie ein herkömmliches Glas sollten die "Superfest"-Gläser halten, so die staatliche Vorgabe. Doch die Entwickler konnten die Erwartungen übertreffen und schufen Gläser mit einer bis zu zehn Mal höheren Lebensdauer.

Die "Superfest"-Gläser waren ein riesiger Erfolg. In Schwepnitz in der Lausitz entstand für 40 Millionen DDR-Mark eine gewaltige Produktionsanlage. Zwischen 1980 und 1991 wurden dort fast 120 Millionen-Gläser chemisch verfestigt.
Den Westen konnten die "Superfest"-Gläser jedoch nicht erobern. "Die Händler haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen", erzählt Peter Sonntag, ehemaliger Auftragsleiter vom Glaswerk Schwepnitz. Die Westhändler fürchteten, dass das DDR-Konkurrenzprodukt den Markt zerstören würde.
Nach der Wiedervereinigung wurde der VEB Sachsen Schwepnitz geschlossen. Da es für eine Nicht-Nutzung zu teuer war, wurde das Patent 1993 aufgegeben. Heutzutage versuchen erste Start-Ups mit der damaligen Verfahrensweise wieder umweltschonende und bruchfest Gläser herzustellen.
Die drei Folgen "DDR genial – Mangel macht erfinderisch" sind in der ZDF-Mediathek abrufbar.