CDU-Rebellion CDU-Rebellion: Benötigt das Land zweite Erstaufnahme-Einrichtung mit 1.000 Plätzen?

Magdeburg - Das Gelände, über das in Stendal aktuell so viel gestritten wird, ist eine Kaserne aus DDR-Tagen. Hier waren Grenztruppen stationiert, hier wurden Kommandos gegeben. Und hier soll bis 2020 ein 30-Millionen-Euro-Bauprojekt Wirklichkeit werden, wenn es nach Landes-Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) geht: Sachsen-Anhalts zweite Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge soll auf dem Gelände entstehen. Rund 1.000 Geflüchtete könnten hier nach ihrer Ankunft im Land untergebracht sein, bis sie auf die Kommunen verteilt werden. Die Einrichtung wäre etwa so groß wie die bestehende Zentrale in Halberstadt (Harz).
CDU-Kollegen von Innenminister Stahlknecht schießen quer
Die Landesregierung setzt damit einen Plan aus dem Jahr 2016 um, als die Zuzugszahlen hoch waren: Zwei zentrale Unterkünfte soll es im Land geben, dafür werden kleinere Standorte wie in Klietz (Kreis Stendal) geschlossen. Insgesamt halbiert sich so die Zahl der Erstaufnahmeplätze im Land von einst 4.000, rechnet Stahlknecht vor. Schließlich sei auch die Zahl der Schutzsuchenden im Jahr 2017 auf 3.444 gesunken - der niedrigste Stand seit 2013.
Auch aufgrund dieses Rückgangs regt sich jetzt Widerstand gegen das Großprojekt - vor allem bei Stahlknechts Parteifreunden in Stendal. Landrat Carsten Wulfänger berichtet von Kritik vor Ort und merkt selbst an: „Wir müssen schauen, ob nicht eine Variante mit 500 Plätzen ausreicht.“ Er hoffe auf Aufklärung des Ministers vor Ort, viele Anwohner hätten Fragen, was der Bau für die Region bedeuten werde: „Das darf keine Blackbox sein, das ist wichtig für die Akzeptanz.“
Andere Stendaler Christdemokraten werden sehr deutlich: Hardy Peter Güssau, Abgeordneter, Ex-Landtagspräsident und Fraktionschef im Stadtrat, bringt eine offizielle Bürgerbefragung ins Spiel, die Stahlknecht nicht schmecken dürfte. Güssau will Stendals Bürger fragen lassen: „Sind Sie der Auffassung, dass durch die Realisierung der geplanten Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung mit bis zu 1.000 Plätzen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Stendal eine Gefährdung des sozialen Friedens in der Hansestadt Stendal eintreten wird?“
Vorschlag sorgt im Stendaler Stadtrat für Turbulenzen
Der Vorschlag sorgte im Stendaler Stadtrat am Montag für Turbulenzen. Güssau wurde Populismus vorgeworfen. Die CDU-Fraktion nennt in der Begründung zum Antrag die geplante Unterkunft „in unserer dünn besiedelten Region eine Fehlentscheidung“. Konkret: „Wir schätzen die Integrationskraft, die eigenen Ressourcen der kommunalen Einrichtungen und das vorhandene zivilgesellschaftliche Engagement so ein, dass diese durch die Inbetriebnahme dieser großen Erstaufnahmeeinrichtung überfordert sind.“
Parallel zur Unruhe vor Ort beschäftigen sich auch Landtagsabgeordnete weiter mit dem Großprojekt - allerdings ohne dessen Notwendigkeit grundsätzlich zu bezweifeln. Redebedarf hat etwa der SPD-Innenexperte Rüdiger Erben. Er moniert, dass der Finanzplan in der Vergangenheit anders dargestellt worden sei, als er mittlerweile aussieht: Der Innenpolitiker sei überrascht gewesen, dass das Land sieben Millionen Euro der Baukosten selbst tragen müsse. Die restlichen 21 Millionen kommen vom Bund. Erben sagte: „Ich will nicht die neue Einrichtung an sich in Frage stellen“, er wünsche sich aber eine „Kapazitätsüberprüfung“ aufgrund der aktuellen Entwicklung der Flüchtlingszahlen. „Das senkt hoffentlich auch die Baukosten.“
Striegel nennt Pläne einen Puffer für künftigen Zuzug
Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel betonte mit Blick auf de geplante Größe der Unterkunft, Sachsen-Anhalt benötige einen gewissen Puffer - auch um im Ernstfall nicht Turnhallen anmieten zu müssen. „Wir müssen vorbereitet sein auf steigende Zuzugszahlen“, erklärte er.
Zudem biete der geplante Bau in Stendal die Möglichkeit, bestimmte Flüchtlingsgruppen getrennt unterzubringen - etwa Christen und Muslime. Auch Mütter und Kinder könnten so gesonderten Wohnraum bekommen, hatte Stahlknecht zuletzt betont. In puncto Kosten sieht Striegel auch Sachsen-Anhalt in der Pflicht: „Die Unterbringung ist auch eine Aufgabe des Landes. Wir können nicht einfach sagen, das interessiert uns nicht.“ (mz)