CDU bremst beim Naturschutz CDU bremst beim Naturschutz: Sachsen-Anhalt drohen Millionenstrafen

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalt riskiert durch das Hinauszögern von Naturschutz-Vorgaben hohe Strafforderungen durch die EU. Derzeit ist fraglich, ob das Land die EU-Richtlinie „Natura 2000“ rechtzeitig bis zum Jahresende umsetzen kann. Eine Verordnung, die konkrete Regeln für rund 300 Schutzgebiete im Land festsetzen soll, liegt dem Kabinett zwar vor.
Auf Druck der CDU ist die Beschlussfassung jedoch vertagt. Die Christdemokraten rechnen mit einer Verschiebung bis in das nächste Jahr hinein.
Sachsen-Anhalts CDU sieht Gesprächsbedarf
Es geht um den Schutz von elf Prozent der Landesfläche. Die Gebiete wurden bereits Anfang des Jahrtausends nach Brüssel gemeldet. Nach Aussage der EU hätte bis 2010 als nächster Schritt die rechtliche Sicherung folgen müssen. Bis heute hat das Land jedoch nicht geliefert.
Vor einem Jahr lag der Entwurf der Verordnung öffentlich aus, 3.500 Einwendungen gingen ein. Die überarbeiteten Pläne sind nun beschlussreif. Die CDU sieht jedoch weiter Gesprächsbedarf. In der Bevölkerung gebe es erheblichen Unmut, sagte Detlef Radke, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.
„Die Leute vertrauen der Politik bei dem Thema nicht mehr. Deshalb wollen wir noch einmal alle Positionen hören und die Verordnung überarbeiten.“ Für den 11. Dezember hat die Fraktion 22 Verbände und Organisationen eingeladen.
Umweltministerin Dalbert: CDU beschloss, Gebiete zu schützen
Radke beruft sich auf eine Zusage von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Dieser habe der Fraktion versprochen, dass die Verordnung ohne Zustimmung der drei Koalitionsfraktionen nicht auf den Weg gebracht werde. Damit erhielte die CDU-Fraktion faktisch ein Vetorecht.
Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) reagiert empört auf die Verzögerung. Die CDU selbst habe als Regierungspartei 2014 beschlossen, die Gebiete im Zuge einer Verordnung zu schützen, sagte sie im MZ-Interview. Auf dieses Verfahren dürften weder sie als Ministerin noch einzelne Fraktionen Einfluss nehmen. „Deswegen ist es so absurd, dass die CDU dieses Verfahren jetzt torpediert.“
Offenbar gebe es in der CDU Bestrebungen, die Beschlussfassung in die Zeit nach der Kommunalwahl zu schieben, sagte Dalbert. Die Wahl zu Stadt- und Gemeinderäten und Kreistagen findet am 26. Mai 2019 statt.
Nur zwei Bundesländer haben Natura-2000-Gebiete noch nicht unter Schutz gestellt
Derzeit haben in Deutschland nur Niedersachsen und Sachsen-Anhalt versäumt, ihre Natura-2000-Gebiete unter Schutz zu stellen. Die EU hat deshalb gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Als letzte Konsequenz kann der Europäische Gerichtshof hohe Strafzahlungen verhängen.
Zu konkreten Summen will sich Brüssel nicht äußern. Doch die Kommission ist zur Eskalation bereit. „Sollte es zu weiteren Verzögerungen kommen, wird die Kommission weitere Schritte im laufenden Vertragsverletzungsverfahren prüfen“, sagte eine Kommissionssprecherin.
In Sachsen-Anhalts Natura-2000-Gebiete leben 231 bedrohte Tierarten
In den Gebieten, die Sachsen-Anhalt für Natura 2000 ausgewiesen hat, leben 231 bedrohte Tierarten, vor allem Vögel wie der Rote Milan, sowie zehn bedrohte Pflanzenarten. Zu ihrem Schutz gibt es Einschränkungen für den Menschen. So ist künftig das Betreten von einem Viertel des Elbufers für drei Monate eines jeden Jahres untersagt. Auf Seen gibt es teilweise Angelverbote, Landwirte dürfen Grünland nur noch eingeschränkt düngen.
„Da kann man schon von einer teilweisen Enteignung sprechen“, findet der CDU-Umweltpolitiker Radke. Er persönlich könne auf Natura 2000 gänzlich verzichten: „Wir haben schon jetzt genug Umweltschutz.“ (dpa)