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Mal robust, mal zerstritten AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt: Mal robust, mal zerstritten

Von Jan Schumann 17.07.2017, 23:16

Magdeburg - Die Empörung war auch gestandenen Abgeordneten an diesem Junitag anzusehen, doch es nützte nichts. André Poggenburg und seine AfD-Fraktion standen auf und verließen bei laufender Sitzung den Landtag in Magdeburg.

Dabei hatte gerade noch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) seine Regierungserklärung abgegeben, nun lief die Debatte. Nicht so wichtig, signalisierte die AfD: Sie wolle lieber vor dem Landtag gegen Abwassergebühren demonstrieren.

AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag: Grenzübertritt als Methode

Es ist rund ein Jahr her, dass die frisch gewählte AfD-Fraktion in Magdeburg für diesen Eklat sorgte. Weitere folgten, vor allem rhetorische Grenzüberschreitungen. Das hat Methode, wie eine neue Studie darlegt. Forscher des Göttinger Instituts für Demokratieforschung haben für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung die Arbeit der Fraktion ausgewertet.

Von Mai 2016 bis Januar 2017 studierte sie parlamentarische Initiativen, sichtete Medienberichte und führte Interviews - nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In allen drei Ländern war die AfD 2016 ins Parlament eingezogen. Die Forscher beleuchteten nun die Arbeitsmethoden der AfD.

Ein Fazit: Rote Linien der politischen Kultur würden in Sachsen-Anhalt immer wieder demonstrativ überschritten. Auch rhetorisch: So hatte Fraktionschef André Poggenburg in einer Debatte über linke Studenten von „Wucherung am deutschen Volkskörper“ gesprochen, der Abgeordnete Mario Lehmann nannte Flüchtlinge „Ficki-Ficki-Fachkräfte“. Derlei „plakative Brüche“ mit Parlamentstraditionen sind laut Autoren ein Mittel, Aufmerksamkeit zu schüren. Eine zweite Deutung: Die AfD in Sachsen-Anhalt schreibe so „ihr Selbstverständnis als außerparlamentarische Bewegungspartei fort“.

Zugleich gelang es der Fraktion laut Studie aber durchaus, aus der Opposition heraus landespolitische Akzente zu setzen. In dem Punkt sehen die Forscher die sachsen-anhaltische AfD stärker als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Der Fraktion sei es „am erfolgreichsten gelungen“ als Oppositionskraft „vor allem die CDU – und damit auch die Kenia-Koalition insgesamt – herauszufordern“.

Zwei Belege nennen die Wissenschaftler: Zum einen die sogenannte Berateraffäre um intransparent vergebene Millionenverträge der Landesregierung; zum anderen die Causa um den früheren Landtagspräsidenten Hardy Peter Güssau (CDU), der seine Rolle in der Stendaler Wahlfälschung nicht erklären konnte.

Den Fall Güssau habe die AfD nutzen können, „um sich in ein vergleichsweise positives öffentliches Licht zu rücken“, so die Studie: Die öffentliche Drohung der AfD mit einem Untersuchungsausschuss habe die Koalition spürbar unter Druck gesetzt. Tatsächlich trat Güssau später zurück. Auch in der Berateraffäre habe die AfD „einen überraschenden Erfolg in ihrer oppositionellen Kontrolltätigkeit“ feiern können. Denn sie hatte in dem Fall tatsächlich eine Untersuchung im Landtag beantragt, die Koalitionsfraktionen nahmen die Kernpunkte auf.

Allerdings basieren diese Wertungen der Göttinger Forscher eher auf deren subjektiven Wahrnehmungen. Das Institut war im Mai in die Kritik geraten, als in einer Rechtsextremismus-Studie unklare Angaben zu Interviewpartnern gemacht wurden.

Interne Konflikte hemmen die AfD in Sachsen-Anhalt

Handfest ist die Untersuchung der parlamentarischen Initiativen: Von den 237 untersuchten Kleinen Anfragen, die die AfD an Sachsen-Anhalts Landesregierung stellte, drehte sich ein Großteil (99) um Innere Sicherheit. Es folgten Bildung (31) und Finanzen (27). Länderübergreifend verfolge die AfD eine „robuste Law-and-Order-Politik“, wobei sie die Bedrohung durch Kriminalität und islamistischen Terrorismus besonders stark thematisiere, heißt es in der Studie. „Vor allem in Sachsen-Anhalt prescht sie mit Forderungen nach härteren Strafen und konsequenteren Verurteilungen voran.“

Trotz allem sehen die Autoren die AfD aktuell bundesweit „erheblich geschwächt“ aufgrund fortwährender interner Lagerkämpfe. Das gelte insbesondere auch für Sachsen-Anhalt. Massive interne Konflikte hätten die „Entfaltung des parlamentarischen Potenzials zunächst deutlich behindert“. Die Kämpfe sind nicht ausgestanden. Mittlerweile haben drei Abgeordnete die Fraktion in Sachsen-Anhalt verlassen. (mz)