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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Nur selten geht Gnade vor Recht

Von HENDRIK KRANERT 28.03.2010, 18:15

MAGDEBURG/MZ. - Kaum im Gefängnis, erlitt Müller jedoch einen Schlaganfall. Ihre Haftstrafe wurde nun zunächst für die Behandlung ausgesetzt, später stellte ihr Rechtsanwalt ein Gnadengesuch. Aufgrund der schweren Erkrankung bat Müller darum, ihr die verbliebene Haftstrafe zu erlassen. Im Jahr 2007 stimmte Justizministerin Angela Kolb (SPD) dem Antrag der Betroffenen schließlich zu.

Häufig Ablehnung

Der Fall ist typisch für einen Gnadenakt - sie werden in der Regel bei besonders schweren Erkrankungen oder ähnlich gelagerten, persönlichen Härten gewährt. Gleichwohl ist der Fall auch eine Ausnahme. Denn Helga Müllers Antrag war einer von nur 18, die im Jahr 2007 in Sachsen-Anhalt Erfolg hatten. Eingereicht worden waren dagegen 127 Gnadengesuche. Im vergangenen Jahr wurden im Land sogar nur zwölf von insgesamt 138 Gnadengesuchen positiv beschieden.

"Die Hürden für eine positive Gnadenentscheidung liegen sehr hoch. Die ablehnende Tendenz der letzten Jahre ist Ausdruck der meist fehlenden Gnadenwürdigkeit in den einzelnen Verfahren", sagte Justizministerin Kolb der MZ. Jeder Gnadenakt sei zudem immer auch ein Eingriff in die gültige Rechtsprechung, "daher muss er sehr sensibel erfolgen", betonte Kolb. Im Fall Helga Müller wurde die Strafe auch nicht einfach gestrichen, sondern die noch zu verbüßenden 921 Tage zur Bewährung ausgesetzt.

Gnadenordnung von 1994

Grundlage für die Gewährung von Gnadenakten ist die Gnadenordnung von Sachsen-Anhalt, die aus dem Jahr 1994 stammt. Mit ihr wurde dem Ministerpräsidenten das Recht zu Gnadenakten übertragen. Dieser wiederum delegierte Gnadenentscheidungen bei Freiheits- oder Jugendstrafen von bis zu zwei Jahren sowie Geldstrafen auf den Generalstaatsanwalt oder die Leitenden Oberstaatsanwälte des Landes.

Darunter fallen beispielsweise auch Führerschein-Sperrfristen, sagte Kolbs Sprecherin Karola Waterstraat. Liegen die Haftstrafen höher als zwei Jahre, muss der amtierende Justizminister die Entscheidung treffen. Bei lebenslangen Strafen wiederum entscheidet der Ministerpräsident persönlich.

Eine solche Entscheidung traf der amtierende Regierungschef, Wolfgang Böhmer (CDU), zuletzt im Jahr 2007: Damals lehnte er den Antrag eines verurteilten Mörders auf Begnadigung ab.