Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Ein Abi und zwei Schwestern
Halle/MZ. - Kleines Bildungsrätsel: Zwei Schwestern, sie sind keine Zwillinge, nicht gleich alt, die Ältere bleibt nicht sitzen, die Jüngere überspringt keine Klasse - und trotzdem machen sie zusammen Abitur. Klingt völlig unlogisch, ist aber so. Das Lösungswort lautet doppelter Abi-Jahrgang. Susanne und Ulrike Fuhrmann heißen die Schwestern, eineinviertel Jahre trennen sie. Susanne geht in die 13., Ulrike in die zwölfte Klasse des Christian-Wolff-Gymnasiums in Halle-Neustadt. Jetzt machen sie zusammen Abitur.
Wegen der Entscheidung der CDU/FDP-Regierung von 2004 wird nun die Schulzeit von 13 auf zwölf Jahre verkürzt. Die Verkürzung ging überhaupt nur, weil wiederum die rot-grüne Landesregierung in den 90er Jahren eine Verlängerung von zwölf auf 13 Jahren einführte. Klingt alles erstmal völlig unlogisch, ist aber so.
Wenn man das Wolff-Gymnasium besucht, weckt die buckelige Pflasterdecke auf dem Schulhof falsche Erwartungen. Drinnen platzt weder Farbe noch Putz von den Wänden. Und Schüler halten Besuchern die Tür auf - Dinge, die man nicht aus jeder Schule berichten kann. Was man in diesen Tagen zumindest in allen Gymnasien erleben kann: Es gibt allerhand zu tun. Doppelter Abi-Jahrgang bedeutet für die Lehrer auch doppelte Arbeit. "Viele Kollegen haben zwei oder drei Kurse in Abiturklassen", erzählt Rektorin Elke Goldberg. Und natürlich ist der doppelte Abi-Jahrgang nicht die einzige Herausforderung. Schließlich ist seit der Wende die Bewegung fast schon der natürliche Zustand des Bildungssystems in Sachsen-Anhalt.
Das Wolff-Gymnasium ist gerade auch noch dabei, mit einer anderen Schule zu fusionieren, der Prozess soll nach dem Abitur abgeschlossen sein. "Wir haben quasi kein doppeltes, sondern ein Vierfach-Abitur bei uns", so Goldberg. Insgesamt seien rund 210 Abiturienten zu betreuen. Das schaffe auch organisatorische Probleme. "Das ist nicht so einfach, die Räume für die schriftlichen Prüfungen aufzuteilen. Mittlerweile müssen ja auch alle Schüler in Mathematik ins Schriftliche."
Dabei ist viel Arbeit auch schon geleistet worden. Die Absolventen des Abi-Jahrgangs 2007 mussten auf das selbe Niveau gebracht werden. Dafür wurden Extra-Förderstunden angeboten. Hilfreich sollen auch die "Kühe" gewesen sein, wie die Schüler die aus Zwölf- und 13-Klässlern gemischten Kurse nach der Abkürzung Q-Kurse (Qualifikationskurse) nennen.
Die 13er einzuholen, hat die 12er natürlich gefordert. "Wir hatten weniger zu tun als die Kleinen", erzählt Susanne. Die Aufholjagd sei aber sehr erfolgreich verlaufen. "Da merkt man keinen Unterschied mehr, höchstens noch in Mathe." Rektorin Goldberg räumt ein, dass den Schülern schon einiges abverlangt wird. "Es ist hart, das streitet niemand ab." Aber man sei ja nicht gezwungen, das schnelle Zwölfer-Abi mitzumachen. "Ein Jahr früher fertig zu sein, ist eigentlich ein Vorteil. Aber man kann ja freiwillig wiederholen, wenn man will."
Soweit würde Ulrike nicht gehen. "Aber ich bin schon gerne in der Schule. Ich muss damit jetzt leben", sagt die junge Frau. Der Zufall, beziehungsweise der Landtag von Sachsen-Anhalt lässt die Schwestern halt wider Erwarten gemeinsam die Schule verlassen. Und dann? Susanne will ein freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren und Forstwirtschaft studieren. Ulrike will sich an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle für Grafikdesign bewerben.
So konkrete Zukunftspläne wie die Schwestern haben längst nicht alle Abiturienten. "Viele wissen noch nicht, was sie machen wollen", so die Rektorin. Dabei müssen sich wegen des Andrangs durch den Doppeljahrgang gerade Studienbewerber eigentlich zeitig informieren und bewerben.