Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Angler mit Problemen
Magdeburg/MZ. - "Angeln nur mit gültigem Fischereischein!" Weiß auf Schwarz prangt der Satz gleich als erster Punkt auf der Hausordnung der Teichwirtschaft Timmenrode (Landkreis Harz). Der achtjährige Paul macht große Augen und Großvater Walter Müller dreht sich stirnrunzelnd um. Der Angelausflug am Sonnabendmorgen scheint zu enden, bevor er richtig begonnen hat.
Schwarzangeln? Das will Müller auf keinen Fall. "Wir müssen das dranschreiben und darauf hinweisen, dass Angeln ohne Fischereischein strafbar ist", sagt Teichwirtschafts-Inhaber Holger Fisch. Die Regelung in Sachsen-Anhalt sei sehr streng. Glücklich ist Fisch darüber nicht: "Der Fischereischein ist doch bloß Geldschneiderei." Viel lieber wäre es ihm, wenn es den Zwang zum Schein nicht gebe.
Wie in Brandenburg beispielsweise. Dort brauchen Angler von Friedfischen (Plötze, Schleie) seit zwei Jahren überhaupt keinen Fischereischein. "Die Abschaffung des Zwangs ging einher mit einem grundsätzlichen Bürokratieabbau in der Fischereiwirtschaft", erinnert sich Stefan Jurman vom Landesamt für Verbraucherschutz. Er erklärt, dass Fischer- und Anglerverbände an der Neuregelung "sehr konstruktiv" mitgewirkt haben. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen gab es Anfangs durchaus Widerstände gegen die Einführung eines sogenannten Touristen-Fischereischeins. Der gilt für 28 Tage und kann für 20 Euro bei den zuständigen kommunalen Behörden gegen Vorlage des Personalausweises erworben werden - ohne jegliche Prüfung. Angler mit Schein fühlten sich diskriminiert. Dennoch setzte die Landesregierung die Regelung durch - mit überragendem Erfolg, wie Sprecher Gerd Lange sagt. Bereits ein Jahr nach der Einführung 2005 habe das Land über 7 000 Touristen-Fischereischeine verkauft, 2007 knackte man bereits die 10 000er Marke. Lange zufolge sind 85 Prozent der Nutzer tatsächliche Touristen, aber auch 1 500 Einheimische erwarben den Schein.
In Brandenburg machen inzwischen jährlich rund 35 000 Menschen Gebrauch vom erlaubnisfreien Friedfisch-Angeln. Die Zahlen ermittelt das Land anhand der Angelmarken, die für die Ausübung des Hobby gekauft werden müssen. "Die Zahl der Angler stieg damit um rund 20 Prozent", sagt Jurmann. Zwar werde der Anteil der Touristen nicht explizit erhoben, doch der "dürfte nicht unerheblich sein", so Jurmann. Dafür sprächen eine gestiegene Zahl von gemieteten Booten und Übernachtungen sowie der Verkauf von Räucherfisch.
Die Erfolge in den beiden nördlichen Bundesländern haben auch in Thüringen, das eher nicht im Verdacht steht, ein Anglerparadies zu sein, für Aufsehen gesorgt. In einer "konzertierten Aktion von Landtag und Umweltministerium", so Sprecherin Cornelia Otto, habe man in diesem Jahr noch vor der Sommerpause auf die Forderungen der Verbände reagiert und einen "Vierteljahres-Fischereischein" eingeführt. Der richte sich vor allem an Touristen und werde ohne Prüfung vergeben.
Und in Sachsen-Anhalt, wo die Zahl der Seen und Teiche mit der Flutung stillgelegter Braunkohle-Gruben ständig wächst? Hier sind die Regelungen nach wie vor ausgesprochen restriktiv. Menschen ohne Fischereischein dürfen lediglich dann die Rute ins Wasser halten, wenn sie von einem Angler begleitet werden, der dazu eine Genehmigung hat. Denn Fisch anfassen oder gar töten darf der Petri-Jünger ohne Schein nicht. Für den Landesanglerverband in Sachsen-Anhalt ist das daher keine Lösung auf Dauer. "Wir sind um eine Regelung bemüht, die der breiten Masse das Angeln erlebbar macht", sagt Geschäftsführer Axel Ritzmann. Das Brandenburger Modell sei eines, das man sich sehr gut vorstellen könnte. Auch der Landesfischereiverband, die Organisation der Berufsfischer, spreche sich für eine Lockerung aus, sagt Vorsitzender Reik Rosenkranz. "Der jetzige Zugang zum Angeln ist viel zu kompliziert", so Rosenkranz. Eine Freigabe des Friedfisch-Angelns oder ein Fischereischein auf Probe ohne langwierige Prüfung sei ein Weg, den man für sehr sinnvoll erachte.
Und während sich das Umweltministerium noch sehr zurückhaltend zu einer möglichen Änderung des Fischereirechts äußert, erfahren die Angler Unterstützung vom Landestourismusverband. "Das Angeln aus touristischer Sicht ist zwar nur ein Nischenthema, aber eines, das auch besetzt werden muss", sagt Vorsitzender Lars-Jörn Zimmer.