Jubiläum auf dem Abstellgleis Zugstrecke Schafstädt-Merseburg feiert 125 Jahren: Warum die Linie heute ruht
Vor 125 Jahren gab es zur Einweihung der Linie Schafstädt-Merseburg großen Jubel. Heute führt die Strecke für eine Zukunft wohl in die falsche Richtung. Was mit den Liegenschaften an die ZossenRail passieren soll.

Schafstädt/MZ - Ende des 19. Jahrhunderts war Schafstädt plötzlich an die Welt angebunden. Binnen weniger Monate nahmen gleich zwei Eisenbahnlinien ihren Betrieb auf, die via Lauchstädt führten und in der Kleinstadt endeten. Den Anfang machte im Herbst 1896 die Linie von Merseburg.
Bahnstrecke brachte viele zahlreiche Festteilnehmer, höhere Beamte aus Weißenfels und Erfurt nach Lauchstädt
In ihrem Zuge entstand auch das Schafstädter Bahnhofsgebäude, dass, wie historische Quellen zeigen, im Frühherbst des Jahres mit, nun ja, großem Bahnhof eingeweiht wurde. „Die Eisenbahndirektion Erfurt hatte zur Eröffnung am 30. September einen Extrazug bewilligt, der in Merseburg kurz vor 11 Uhr abgelassen wurde.
Er brachte zahlreiche Festteilnehmer, höhere Beamte aus Weißenfels und Erfurt, zahlreichen Bürger von Lauchstädt und auch von hier, die nun um 11.52 Uhr von einer sehr großen, festlich geschmückten Menge mit Hochrufen und einem Tusch der hiesigen Stadtkappellen empfangen wurden“, schrieb der frühere Ortschronist Heinz Klingenschmidt.
Fabrik bildete gemeinsam mit den Städten Lauchstädt und Schafstädt ein Komitee
Aus seinen Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass der Wunsch eines Bahnanschlusses nach Schafstädt schon ein Jahrzehnt zuvor gehegt wurde. Treibende Kraft waren dabei ökonomische Interessen – allen voran die der damals bedeutsamen Zuckerfabrik der Kleinstadt. Diese präferierte eine Streckenführung über Schlettau Richtung Halle, mit Anschluss an die dortige Bahnstrecke nach Nordhausen und Göttingen.
Die Fabrik bildete dafür gemeinsam mit den Städten Lauchstädt und Schafstädt ein Komitee. „Dieses garantierte dem Staate für diese Linie die unentgeltliche Herausgabe des notwendigen Grund und Bodens und 10.000 Mark pro Kilometer“, schreibt Klingenschmidt. Die Kreisstadt Merseburg dagegen forcierte eine Anbindung von dort aus nach Lauchstädt und Schafstädt.
Bahn hatte einen wichtigen Zuliefererbetrieb ans Schienennetz angeschlossen
Der Landtag bewilligte schließlich beide Linie. Und obwohl die Verantwortlichen im Juni 1895 zum Spatenstich bei Knapendorf den Spaten vergessen hatte, erfolgte der Bau in einem für heutige Verhältnisse unvorstellbaren Tempo. Bereits 13 Monate später rollten die ersten Güterzüge bis Schafstädt, wo ein Gleisanschluss zur Zuckerfabrik geschaffen worden war. Diese konnte ab April 1897 dann auch aus Richtung Halle per Zug mit Rüben beliefert werden. Zu diesem Zeitpunkt war die 10,2 Kilometer lange Verbindung bis Schlettau fertiggestellt.
Damit hatte die Bahn im übrigen auch einen wichtigen Zuliefererbetrieb ans Schienennetz angeschlossen. Das in Schafstädt ansässige Eisenwerk der Gebrüder Schimpff hatte sich seit 1880 auf die Produktion von Drehscheiben, Wasserkräne und Co. spezialisiert, musste seine Erzeugnisse bis 1896 allerdings in Einzelteilen auf Fuhrwerken abtransportieren.
2014 stellte die Bahn den Haltepunkt bei Schafstädt ein
Das Eisenwerk ist heute allerdings genauso Geschichte wie die der Bahnverkehr nach Schafstädt. Fast zwölf Jahrzehnte waren Personenzüge von Merseburg aus in die Kleinstadt gerollt, ab den späten 1930er Jahren auf veränderter Streckenführung. Mit dem Bau der Buna-Werke entstand dort ein Halt, dafür fiel der Bahnhof in Knapendorf weg. Doch mit dem Abbau eines Großteils der Arbeitsplätze im Chemiebetrieb, erodierte auch die Bedeutung der Bahnverbindung.
Die Fahrgastzahlen sanken rapide. 2014 stellte das Land die Relation, die da bereits seit einigen Jahren an einem neu geschaffenen Haltepunkt östlich der Schafstädter Bahnhofstraße endete, ein. In der Goethestadt taucht seither immer mal wieder die politische Forderung auf, zumindest den Abschnitt Bad Lauchstädt-Merseburg zu reaktivieren.

Fahrgäste fehlen: Bahnstrecke zwischen Bad Lauchstädt und Schafstädt ist mittlerweile komplett stillgelegt
Die zuständige Nahverkehrsservicegesellschaft Sachsen-Anhalt (Nasa) erklärt hierzu allerdings: „Aus Landessicht gibt es keine realistischen Chancen auf eine Reaktivierung des Personenverkehrs.“ Es fehle dafür das Fahrgastpotenzial. Zuletzt hätten die Züge weniger als 150 Kunden pro Tag genutzt. Ein Grund dafür ist aus Sicht der Nasa, dass die Strecke nach Merseburg führt, ein Großteil der Schaf- und Lauchstädter aber nach Halle pendelt. „Die Bahnlinie Richtung Merseburg ist also für viele Einwohner nicht relevant, weil sie in die falsche Richtung fährt“, sagt Nasa-Sprecher Wolfgang Ball. Zudem gäbe es heute stündliche Busverbindung aus Lauchstädt nach Querfurt, Merseburg und Halle.
Die Bahnstrecke zwischen Bad Lauchstädt und Schafstädt ist mittlerweile komplett stillgelegt. Nach Einstellung des Personenverkehrs sei sie für die DB Netz AG unwirtschaftlich geworden. Deshalb habe man ein Verfahren zur Stilllegung respektive Abgabe der Strecke ab den Buna-Werken eingeleitet, erklärte ein Bahnsprecher der DB. Für den Abschnitt bis Bad Lauchstädt hat sich mit der ZossenRail Betriebsgesellschaft mbH ein Pächter gefunden, der dort Güterverkehr durchführen kann. Laut DB wird derzeit ein Verkauf der Liegenschaften an die ZossenRail vorbereitet.