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Chartstürmer durch Corona Wie Jürgen Kerber aus Burgliebenau vom Manager wieder zum Musiker wurde

Die Pandemie vermieste Jürgen Kerber das Geschäft. Aus Frust besann der Eventmanager aus dem Saalekreis sich auf eine alte Leidenschaft: Musik machen. Seine Kompositionen feiern nun Erfolge.

Von Julius Lukas 24.08.2021, 10:00
Etwa 500 Lieder hat Jürgen Kerber produziert. Als Ablenkung in der Pandemie hat er 21 davon neu bearbeitet und zur CD gemacht.
Etwa 500 Lieder hat Jürgen Kerber produziert. Als Ablenkung in der Pandemie hat er 21 davon neu bearbeitet und zur CD gemacht. (Foto: Andreas Stedtler)

Schkopau - Den Tag, an dem seine Arbeitswelt zusammenbrach, hat Jürgen Kerber noch genau im Kopf. „Es war der 16. März 2020“, erinnert sich der Eventmanager, der eine Agentur in Burgliebenau, einem Ortsteil von Schkopau (Saalekreis), hat. „Damals klingelte um 10 Uhr morgens das erste Mal das Telefon - und es hörte bis 23 Uhr nicht mehr auf.“ Seine Gesprächspartner hatten durchweg keine guten Nachrichten für Kerber. Denn sie verkündeten ihm reihenweise Absagen. „Die pandemiebedingten Schließungen hatten gerade begonnen, und die Unsicherheit war so groß, dass erst einmal alle ihre Veranstaltungen stornierten.“ Allein an diesem einen Tag verlor Kerber, dessen Agentur über 20 Mitarbeiter beschäftigte, 168 Aufträge.

Auf den „geschäftlichen Tsunami“ folgte erst einmal Stille. „Nicht nur die 168 festen Jobs waren weg - es kam auch nichts mehr nach.“ Kerber arbeitet mit seiner Agentur für Einkaufszentren und den Einzelhandel. „Wir organisieren kleinere Veranstaltungen mit Musik, Quiz- und Spielshows, die während des Einkaufsbummels für Unterhaltung sorgen sollen“, erklärt er. Doch der Einzelhandel war weitestgehend geschlossen. „In dieser Pandemie-Zeit entstand bei mir so viel Frust, dass ich dafür irgendein Ventil brauchte - und das war die Musik.“

Im Saarland ist Jürgen Kerber als DJ Rufus bekannt

Jürgen Kerber begann in der Zeit des beruflichen Stillstandes, alte Lieder herauszusuchen und neu aufzunehmen. Zwei seiner Kompositionen schafften es sogar in die Charts. „Musik begleitet mich schon mein ganzes Leben, die Agentur hatte das nur etwas in den Hintergrund gerückt.“

Im Saarland ist der 60-Jährige nämlich bis heute als DJ Rufus bekannt. „Dort habe ich meine Kindheit und Jugend verbracht“, erzählt Kerber. In der Siebdruckerei der Eltern lernte er Einzelhandelskaufmann. „Nach meiner Schicht legte ich dann in den größten Diskotheken des Saarlands für 4.000 Menschen Musik auf.“

Tagsüber in der Druckerei und anschließend bis 5 Uhr morgens an den Plattentellern - das war irgendwann jedoch zu viel. „Ich bekam die Chance, im Radio zu moderieren.“ Und dieser Wechsel führte Jürgen Kerber schließlich auch nach Sachsen-Anhalt. Sein Sender - Antenne Stuttgart - gehört zu einer Radiogruppe, die von Halle aus Radio Brocken aufbaute. „Ich wurde gefragt, ob ich dabei sein wollte - 1993 ging ich dann in den Osten.“

„Lady Fantasy“ von Frenacesco Napoli war  Jürgen Kerbers größter Hit.
„Lady Fantasy“ von Frenacesco Napoli war Jürgen Kerbers größter Hit.
(Foto: Andreas Stedtler)

Anfangs sendeten sie aus einem alten Bus, später kam moderne digitale Technik nach Halle. „Hier wurde ausprobiert, was die anderen Sender der Gruppe dann bekommen sollten.“ Es seien bewegende Jahre gewesen, die Jürgen Kerber beruflich auch in eine ganz neue Richtung trieben. „Ich war ja als Moderator gekommen, bekam dann aber auch die Leitung des Eventbereichs übertragen, weil ein Kollege einen Unfall hatte und dadurch ausfiel.“

Jürgen Kerber machte sich einen Namen als Eventmanager

Veranstaltungen zu organisieren, wurde zum Hauptgeschäft des Saarländers. Er baute Programme für Schlagergalas und Stadtfeste - und war Miterfinder des Entenrennens, das heute noch einer der Höhepunkte des alljährlichen Laternenfestes in Halle ist. Doch der Erfolg hatte Folgen. „Neben Sachsen-Anhalt musste ich bald darauf noch den Eventbereich in Sachsen und schließlich in Niedersachsen mit betreuen“, erinnert sich Kerber. Die Belastung stieg dadurch ungemein. „Es gab dann diesen einen Tag Anfang der 2000er Jahre, an dem ich frühmorgens erst in Oldenburg und danach in Hannover eine Bühne abnehmen musste, um danach noch drei Stadtfeste in Magdeburg, Leipzig und Dresden zu besuchen.“ Es sei 5 Uhr am Morgen gewesen, als er im Bett lag. „Danach war mir klar, dass ich das so nicht mehr weiter machen kann.“

Kerber stieg aus dem Radiogeschäft aus. Allerdings nahm er viele Kontakte zu Künstlern vor allem aus dem Schlagerkosmos mit und widmete sich wieder mehr der Musik. „Das Eventgeschäft lief schon weiter, aber ich produzierte auch zahlreiche Lieder.“ Zu den Sängerinnen und Sängern, mit denen er arbeitete, gehörten Regina Thoss, Hans-Jürgen Beyer und Eva Maria Pieckert. Seinen größten Erfolg hat er aber mit dem Italiener Francesco Napoli. Dessen Lied „Lady Fantasy“ erreichte 2002 in Spanien die Top Ten und war zudem in dem südeuropäischen Land der meistgespielte Radiohit des Jahres. „Wir waren mit Francescos Lied in 17 spanischsprechenden Ländern in den Charts platziert“, erzählt Kerber.

Musik ist für den zweifachen Vater immer eine Art Lebenselixier gewesen. Das gelte umso mehr in komplizierten Zeiten. Nachdem 2020 der Eventsommer etwas besser lief, vereitelten Lockdown zwei und drei erneut das Geschäft. „Das ging sehr an die Substanz und Existenz, aber ich hatte ja meine Musik.“ Kerber hörte alle der knapp 400 Songs durch, die er in seiner Laufbahn produziert hatte. „Ich arrangierte sie völlig neu, um daraus ein Album zu machen – quasi mein Geschenk zu meinem 60. Geburtstag, den ich ja auch nicht feiern konnte.“

Eventgeschäft in Sachsen-Anhalt läuft wieder an

Beim Produzieren seiner Lieder kommt Kerber dabei ganz ohne Tonstudio aus. Er arrangiert die Songs am Computer, verschiebt Tonspuren und fügt digital neue Instrumente hinzu. So entstanden zwei Lieder, die es sogar in die Hitparade geschafft haben: „Back to Mallorca“ („Zurück nach Mallorca“) und „Summer Breeze“ („Sommerbrise“). Beide sind seit 22 beziehungsweise 15 Wochen unter den besten 20 Songs der DJ-Top-100. „Die Lieder vermitteln ein Sommergefühl, das viele Menschen lange vermisst haben.“

Die Verluste, die seine Agentur erleiden musste, kann Kerber mit seiner Musik nicht ausgleichen. „Finanziell helfen das Album und die Lieder nicht, aber sie tun der Seele gut“, sagt der 60-Jährige. Das Eventgeschäft laufe bei ihm zwar wieder an, doch trotzdem produziere er weiter. Gerade hat Kerber ein Lied mit zwei Italienern eingespielt, auf die er im Internet gestoßen war. Der Name des Songs: „Amore“ - für Kerber ist das auch eine Liebeserklärung an die Musik.