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Wettins letzte Schiffer Wettins letzte Schiffer: "Ich habe das gemacht auch wenn es gefährlich war"

Von Claudia Crodel 15.03.2020, 14:00
Erich Müller hat sein ganzes Leben lang am Wasser gelebt und gearbeitet.
Erich Müller hat sein ganzes Leben lang am Wasser gelebt und gearbeitet. Silvio Kison

Wettin - Erich Müller setzt noch immer gern seine Schiffermütze auf. Schließlich stammt der 74-jährige aus einer Schifferfamilie und erlernte selbst diesen Beruf, als er 1960 aus der Schule kam. Seit vielen Jahren ist Erich Müller der Vorsitzende des Schiffervereins Wettin, der 2020 sein 120-jähriges Bestehen feiert. Damit gehört er zu den ältesten Vereinen der Region.

Das Jahr 1900 gilt als offizielles Gründungsjahr. „Damals waren Schiffer, Fischer und auch Korbmacher Vereinsmitglieder“, so Müller weiter. Letztere übrigens deshalb, weil die Schiffer im Winter, wenn die Saale und andere Flüsse zugefroren waren, ihrem eigentlichen Beruf nicht nachgehen konnten. Sie haben dann meist bei Korbmachern gearbeitet.

Schifffahrt auf der Saale als auch die Korbmacherei

Sowohl die Schifffahrt auf der Saale als auch die Korbmacherei haben einst in der Gegend um Wettin eine wichtige Rolle gespielt. „Wettin galt damals als drittgrößte Schifferstadt in der Region“, sagt Müller.

Auch seine Großeltern und Eltern waren bereits Schiffer, hatten sogar ein eigenes Transportschiff. „Mit ihm sind sie auf der Saale, der Elbe und den Kanälen gefahren, haben Waren transportiert, Getreide, Zuckerrüben, Waschmittel aus Genthin oder Baumaterial“, erinnert sich Erich Müller, der als Kind vorwiegend bei den Großeltern aufgewachsen ist, damit er in Wettin zur Schule gehen konnte. Aus diesem Grunde habe er sich, als er selbst Vater wurde, gegen eine Übernahme des elterlichen Schiffs entschieden.

Vom Vater die Arbeitsstelle an der Wettiner Schleuse übernommen

„Ich wollte meine Kinder selbst großziehen. Ich wusste ja wie das ist, wenn die Eltern nicht da sind“, erklärt er. Das Transportschiff der Eltern gibt es übrigens noch heute. Es liegt als Restaurantschiff am Kulkwitzer See bei Leipzig.

Trotzdem sei er dem Fluss beruflich immer treu geblieben, hat beim Wasserbau und beim Wasserstraßenamt gearbeitet und unter anderem mit einem kleinen Motorkahn Steine für die Befestigung von Böschungen gefahren. Als sein Vater in den Ruhestand ging, hat er dessen Arbeitsstelle an der Wettiner Schleuse übernommen. „Wir sind damals Mitte der 80er-Jahre auf die Schleuseninsel gezogen. Bis 2016 habe ich dort gewohnt.“

Ungewöhnlicher Wohnort mitten in der Natur

Der ungewöhnliche Wohnort mitten in der Natur habe es in sich gehabt. Er war nur mit einer kleinen Motorfähre zu erreichen. Probleme gab es, wenn es begann zu frieren. „Dann sind wir sogar nachts aufgestanden, um Eis zu hacken, um am nächsten Tag mit der kleinen Fähre noch an Land zu kommen“, erzählt er. Extrem sei es jedoch bei Hochwasser gewesen. Dann sei es verboten gewesen, mit der Fähre zu fahren. „Ich habe das aber trotzdem gemacht, auch wenn es gefährlich war“, gibt er unumwunden zu.

Aus der Schleusen-Zeit kann Erich Müller viel berichten, beispielsweise wenn Bäume oder Äste angeschwemmt kamen und sich verklemmten oder wie es zur DDR-Zeit immer besonders dann gestunken habe, wenn die Schleusentore geöffnet wurden und das durch die chemische Industrie verschmutzte Wasser hineinfloss.

Heute ist der Schifferverein sehr klein geworden

Heute ist der Schifferverein sehr klein geworden. „Wir haben nur noch 17 Mitglieder“, sagt Müller. Viele seien in den vergangenen Jahren verstorben. Zu den Beerdigungen sind die Vereinsmitglieder immer dabei und tragen dann auch die Vereinsfahne ans Grab. „Das war schon immer so Tradition. Nur von der SED wurde uns das mal verboten.“ Man habe das Verbot aber unterlaufen, in dem man extra Gebühren für einen Fahnenträger entrichtet habe.

Bei vielen Burg- und Stadtfesten war der Verein dabei. Im Winter gab es auch immer ein Vereinsvergnügen, in diesem Jahr ist es eine Feier zum 120. Vereinsgeburtstag. (mz)